Ich versuche mal Karoshis Antwort in "ausführlich":
Das "ideale" Augenpaar ist so ausgerichtet, daß im "entspannten" Zustand die beiden Bilder vom linken und rechten Auge zu einem einzigen wahrgenommen Bild verschmelzen können. Wenn die beiden Augen "auseinanderdriften" wollen, entstehen nicht sofort Doppelbilder, weil dies durch die Arbeit der Augenmuskeln und/oder durch die Bildverarbeitung im Gehirn in einem gewissen Maße ausgeglichen werden kann. Diese Belastung kann aber zu Beschwerden wie Anstrengung, Kopfschmerzen o.ä. führen. Wenn die Kompensation nicht mehr funktioniert, kommt es zu Doppelbildern.
Beim Sehtest gibt es Teste, die speziell für die Untersuchung dieses Zusammenspiels beider Augen konzipiert sind. Es kann sein, daß man in dieser Testsituation eine Abweichung erkennen kann, die aber im "normalen" Sehen nicht auffällt.
Es gibt verschiedene denkbare Möglichkeiten, wie man mit einem entsprechenden Ergebnis beim Sehtest umgeht:
Man könnte sagen, solange es keine Probleme gibt (keine Doppelbilder, keine Beschwerden wie oben beschrieben), dann machen bzw. korrigieren wir auch nichts mit Prismen.
Das andere Extrem wäre, wir korrigieren auch kleinste Abweichungen, und entlasten damit das ganze Sehsystem, obwohl subjektiv (noch?) kein Problem bemerkt wurde.
Es ist dabei möglich, daß man zunächst nur einen kleinen Korrektionsbedarf ermittelt und daraus eine erste Prismenkorrektur anfertigt, und dann nach einer Weile bemerkt, daß da "noch mehr geht", und man die Korrektur verstärken muss/kann. Dann kann man in die Situation geraten, daß man die Korrektur nach und nach verstärkt, und daß dann am Ende der Kompensationsmechanismus, der anfangs noch ohne Prismen funktioniert hatte, nun nicht mehr ausreicht, um ohne Prismen Doppelbilder zu vermeiden. Das ist wahrscheinlich das, was der Augenarzt gemeint hat.
Allerdings wäre eine Prismenkorrektur, mit der man Probleme schafft, die man ohne die Korrektur nicht hatte, wohl kaum das Ergebnis eines verantwortungsvollen und/oder sach- und fachgerechten Umgangs mit dem ganzen Thema...

Rate dreimal hintereinander richtig, und du wirst den Ruf eines Experten haben.
(Laurence Johnston Peter (1919-90), amerik. Managementberater)