Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

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martinsbrille
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Registriert: Samstag 21. März 2009, 18:51

Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

Beitrag von martinsbrille »

Guten Abend,

auf der erfolglosen Suche im Internet nach Qualitätsvergleichen bei Gleitsichgläsern bin ich auf dieses Forum gestoßen. Ich benötige eine neue Gleitsichtbrille, habe einige Optiker besucht und folgende Gläser angeboten bekommen:

1. Hoyalux ID bei zwei Geschäften für 420 bzw. 450 EUR pro Glas
2. "vergleichbare" von Nikon von für 400 EUR (Kunsstoff hochbrechend gehärtet, entspiegelt, genaue Bezeichnung leider nicht bekannt)

und zwei Aktionsangebote:
3. Rupp + Hubrach Anateo für 380, DAS 2. GLAS FÜR 30 (!) EUR
4. Essilor, zur Auswahl Varilux Liberty für 270, Varilux Comfort für 350 und Varilux Physio f 360 für 410 Eur, DAS 2. GLAS JEWEILS FÜR 1 (!) EUR

Jetzt bin ich - na klar - komplett verwirrt, da ich die verschiedenen Hersteller nicht vergleichen kann. Sind die Qualitäten vergleichbar, bzw. welches der Essilor-Gläser wäre adäquat? Sie Sind die Hersteller vergleichbar oder kann man ein wenig unterscheiden, vergleichbar BMW - Skoda? Oder haben Bestimmte Gläser besondere Vorzüge, wie bessere Vergütung, kratzfester, leichter als die Konkurrenz? Spezielle zu den Aktionsangeboten: Sind die "regulären" Preise Mondpreise oder sind das tatsächlich solche Superaktionen?

Zusatzinfo zu mir: Ich bin 47 Jahre alt, kurzsichtig (so ca. -5,5 dazu ca. -1 Zyl. Genaue Werte habe ich leider nicht parat. Meine bisherige, ca, 4,5 Jahre alte Gleitsicht hatte für den Nahbereich etwa 0,75. die Neue wird etwas mehr brauchen, genaue Messung erst bei Kauf. Ich arbeite am PC und möchte eine pflegeleichte Brille, die sich mit normalem Spülmittel bzw. Seife und einem weichen Papiertuch zufrieden gibt.

Ach ja, ohne Filialbetrieb oder unabhängiger Unternehmer zu werten: Die Geschäfte waren alle unabhängig, d.h. die Homepage eines Unternehmens verwies auf "brillenonline". Soll keine Wertung sein. Mir fiel beim lesen hier nur auf, dass viele Forumsmitglieder auf F**lm*nn, *p*ll* etc. recht gereizt reagieren.

Für ein wenig Aufklärung wäre ich dankbar. Ich habe übrigens Physik studiert, es dürfen also ruhig ein paar optische Fachausdrücke ohne tiefere Erklärung kommen
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optidi
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Registriert: Samstag 25. Oktober 2008, 17:06
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Re: Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

Beitrag von optidi »

Hallo,

Gleitsichtgläser zu vergleichen und einem "Halblaien" zu erklären ist extrem schwierig. Hier muss man den Erfahrungen des Optikers vertrauen.

Ich selbst trage einmal die R+H Anateo und die Varilux Physio (ohne f360°) beide mit gleicher Stärke für Ferne und Nähe. Mit beiden Brillen sehe ich bei statischen Blick in der Ferne oder in der Nähe sehr gut. Bei beiden Brillen ist der Zwischenbereich und die Nähe etwa gleich breit. Allerdings fühle ich mich mit dem Varilux Physio beim dynamischen Sehen ein klein wenig wohler. Es ist aber so geringfügig, das ich nicht erklären kann, woran es liegt.

Der Unterschied zwischen dem Physio und dem Physio f360° liegt daran, das beim zweiten Glas ein paar Messwerte mehr genommen werden und in die Berechnung der Gläser einfließt. Der Vorteil liegt in einem noch etwas breiteren Zwischen- und Nahbereich.

Zum Varilux Liberty ist zu sagen, dass es ein Glas ist, mit einer Technik von vor etwa 15-18 Jahre. Es hat ein relativ schmalen Sehkorridor und somit ein eingeschränkten Blickbereich.

Zu Hoya und Nikon kann ich nichts beisteuern.

So, jetzt wird es etwas technischer. Am Beispiel vom Physio möchte ich versuchen ein paar beispiele für aktuelle Glasfertigung zu erklären.
1.) Fernteil: Durch die Freiflächentechnik kann man die Abbildungsfehler höherer Ordnung (Koma) stark verringern, da man nicht mehr mit Kreis- oder Elipsenformen (Asphären) arbeitet.
2.) Zwischen- und Nahbereich: Die Randbereiche haben Unschärfen, die durch Astigmatismen entstehen. Bei älteren Gläsern änderte sich die Stäke des Astigmatismus und dessen Achslage, je mehr man zum Rand des Glases kam. Durch die neue Fertigungstechnik ist es möglich den Astigmatismus in Stärke und Achslage stabil zu halten. Dabei haben Reihenuntersuchungen ergeben, dass das Sehzentrum mit der senkrechten Achslage am besten zu recht kommt und somit den Unschärfebereich zum Teil mitnutzen kann. Dadurch wird der Sehkanal breiter.

Andere Hersteller schwören z.B. auf beidseitig asphärische Flächen. Auch damit versucht man die Abbildungsfehler, gerade im Fernbereich zu verbessern. Allerdings scheint die Freiflächentechnik etwas im Vorteil zu sein.

Allerdings ist es schon schade, wenn es Kollegen nicht schaffen mit einer ordentlichen Sehproblemanalyse und einem umfangreichen Beratungsgespräch die Unterschiede darzustellen. Besonders der Nutzen für den Kunden kann man mit entsprechenden Schaubildern sehr gut begreiflich machen. Statt dessen wird anscheinend nur noch der Preis genannt.
Aber auch der Kunde sollte sich die Zeit nehmen, damit der Optiker ordentliche beraten kann.

Ich hatte mal einen potentiellen Kunden, der kam rein und fragte nur nach dem Preis von Gleitsichtgläsern. Nachdem ich versuchte höflich zu fragen für welchen Anwendungszweck, bekam ich nur die Antwort, dass er für ein Gespräch keine Zeit habe, er wolle nur den Preis wissen. Eine Antwort wartete er gar nicht ab und war schon wieder draußen. Tja in 30 Sekunden kann man kein gutes Glas verkaufen.

Gruß Optidi
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martinsbrille
Beiträge: 2
Registriert: Samstag 21. März 2009, 18:51

Re: Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

Beitrag von martinsbrille »

Vielen Dank, Optidi,

ich hatte sicherlich mit dem Samstag Vormittag keinen optimalen Beratungstag erwischt. Speziell bei dem Essilor-Anbieter hat der Laden gebrummt und ich war auch schon an der Grenze meiner Aufnahmefähigkeit. Ein größeres Problem ist auch, dass kaum ein kleineres Geschäft mehrere Gläser im Angebot hat (war zumindest mein Eindruck). Das heißt, der Anbieter kann mir noch die Unterschiede zwischen unterschiedlichen Hoya-Gläsern erklären, aber nicht mehr den Unterschied zu Nikon. Da hoffe ich noch auf mehr Erkenntnisse.
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optidi
Beiträge: 725
Registriert: Samstag 25. Oktober 2008, 17:06
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Re: Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

Beitrag von optidi »

Hallo,

die kleinen Optiker haben oft 2-3 Anbieter im Programm und können diese schon auch vergleichen. Bei den Großen ist es oftmals so, dass diese drei Preisgruppen haben, standard, buisseness und premium. Man bezahlt also eine Qualität und es werden dann die Gläser bestellt, die in dieser Qualitätsstufe gerade am günstigsten auf dem Markt erhältich sind. Deshalb können die Beratungen nie so detailiert sein, da der Verkäufer gar nicht weis, von welchen Hersteller das Glas letztendlich geliefert wird. Dies entscheidet nämlich die Geschäftsleitung.

Ich biete die Gläser an, bei denen die Kunden am häufigsten zu frieden sind. Die Hersteller können sehr viel in ihre Prospekte schreiben und alle möglichen wissenschaftlichen Abhandlungen beilegen. Die Papierform der Gläser muss sich in der Praxis nicht durchsetzen. Deshalb biete ich Gläser, wie z.B. das Varilux Panamic, der Vorgänger vom Physio nicht an, da ich diese 2 mal umgetauscht habe.

Ich weis, das meine Antwort für dich wahrscheinlich nicht sehr befriedigen ausfällt. Gleitsichtgläser sind einfach Vertrauenssache.

Gruß Optidi
I
Impressionist202
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Registriert: Dienstag 17. März 2009, 12:42

Re: Laienverwirrung durch Gleitsichtgläser

Beitrag von Impressionist202 »

Moin!

@optidi: Ich wollte gerade auch mal was zu dem Thema schreiben, habe dann aber gemerkt das Du schon in Deinem Ersten wie auch zweiten Bericht den Nagel absolut auf den Kopf getroffen hast....aber den "was kosten Gleitsichtgläser" - Kunden hatten wir alle glaube ich schonmal. Stell dann dochmal die Gegenfrage: Was kostet ein Auto ?!? ;-)

Beste Grüße
Impressionist

P.S.: Ich frage auch manchmal den "schon Gleitsicht" aber bei mir Neukunden ob Ihm schonmal jemand Gleitsichtgläser oder eine Entspiegelung erklärt hat...da kommen nette Antworten bei raus! ;-)
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