Ärger mit Polycarbonatgläsern

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manhet
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Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von manhet »

Hallo,
habe seit 1 Jahr eine randlose Gleitsichtbrille mit Polycarbonatgläsern und Titangestell. Heute wurde ich von meiner Frau auf Risse an den Gläserbohrungen
hingewiesen. Mit meiner Alt-Brille ergab sich folgendes Schadensbild: An allen 4 Bohrungen der beiden Gläser haben sich senkrecht nach oben Risse ausgebildet.
Mein Optiker fragte nach Verwendung von alkoholhaltigen Reinigungstüchern. Diese habe ich die ganze Zeit benutzt (Alkoholgehalt aber nicht größer als 1%,
also für den Werkstoff Polycarbonat durchaus geeignet!). Kann jemand weitere Hinweise zur Ursachenfindung bei diesem ungewöhnlichen Gläserschaden machen?
Vielen Dank im Voraus.
MfG
m.
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Oppicker
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von Oppicker »

Polycarbonate gibt es viele, heißt doch auch die Übersetzung nur "Vielfachkohlenstoff".
Ich habe sehr viel Polycarbonatgläser verarbeitet, aber tatsächlich kommt es öfter mal vor, dass trotz sachgemäßer Behandlung durch den Träger von Bohrlöchern strahlenförmige Risse ausgehen. Pflegefehler sehen anders aus. Die Ursache liegt meist in einem ungenügend versäuberten Bohrloch. Dieses muss der Optiker noch nicht einmal unbedingt bemerken. Es reicht ein kleiner übersehener Grat am Bohrloch, dass sich solche Risse bilden.
Polycarbonat als Brillenglas ist eigentlich ein optimaler Werkstoff, der sich aber leider wegen der aufwändigen Verarbeitung nicht durchsetzen kann. Er wird zunehmend durch einen anderen, äußerst zähen Werkstoff ersetzt, der weniger anspruchsvoll in der Verarbeitung ist.
Bitte deinen Optiker, deine Gläser durch Gläser aus einem solchen Material zu ersetzen. Dann ist Ruhe im Karton.
Die Hersteller benennen dieses Material unterschiedlich. Bei meinem Lieferant Wetzlich heißen sie z.B. TriLight, es gibt sie aber auch von Hoya und bestimmt auch von anderen Herstellern.
Manchmal gibt es im Leben einfach nicht genug Steine (Forrest Gump)
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stolli
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von stolli »

Hallo,

PC-Gläser reagiern eigentlich nur dann sehr empfindlich auf Alkohol, wenn eine bearbeitete Fläche nicht poliert ist. Speziell bei randlosen Brillen (mit Bohrlöchern) ist es schwierig die Oberflächen der Bohrlöcher und Entgratungen zu polieren. Diese Gläser sollten mit speziellen "Kobalt-Bohrern" gebohrt werden, denn nur diese gewährleisten eine einigermasser polierte Bohrung.

Es ist dennoch immer problematisch PC-Gläser mit Alkohol zu reinigen, denn grade an den Bohrlöchern sammelt sich Reinigungsflüssigkeit an oder kriecht gar in diese hinein, sodaß der enthaltene Alkohol Zeit hat in das Material einzudringen und es enstehen dann nach einer Zeit eben doch Risse.

PC-Gläser dürfen nicht mit alkoholhaltigen Reinigungsmitteln behandelt werden, auch nicht wenn nur 1% enthalten ist.
Eine Reklamation halte ich nach dieser Zeit und wegen Verwendung von alkoholhaltigen Putztüchern (niemand kann sagen ob die Tücher tatsächlich nur 1% Alkohol enthalten haben) für nicht gerechtfertigt.

Gruß
stolli
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xiaowei
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von xiaowei »

Oppicker hat geschrieben:Polycarbonat als Brillenglas ist eigentlich ein optimaler Werkstoff, der sich aber leider wegen der aufwändigen Verarbeitung nicht durchsetzen kann.
Naja, von den optischen Eigenschaften ist es eher das schlechteste, kein wirklich hoher index, aber übel niedriges nue (31). --> Farbränder!
(Da sind wir wieder bei einem beliebten Thema. Hallo "o1af"!!! Seh ich genauso wie Du (im wahrsten Sinn des Wortes!)!)

Poly ist speziell in den USA beliebt, weil es ohne zusätzliche Härtung den dort für alle Brillengläser obligatorischen "drop ball impact test" besteht.
http://www.fda.gov/cdrh/devadvice/dropball.html

(So sind z.B. ohne spezielle Bescheinigung keine High-Index Gläser >= 1.8 in den USA zu bekommen, weil diese bei den üblichen Mittendicken diesen Test nicht bestehen. Die Amerikaner haben panische Angst vor Objekten, die evtl. durch Brillengläser dringen könnten! Was machen Nicht-Träger?)
Oppicker hat geschrieben: Er wird zunehmend durch einen anderen, äußerst zähen Werkstoff ersetzt, der weniger anspruchsvoll in der Verarbeitung ist.
Die Hersteller benennen dieses Material unterschiedlich. Bei meinem Lieferant Wetzlich heißen sie z.B. TriLight, es gibt sie aber auch von Hoya und bestimmt auch von anderen Herstellern.
Die "generische" Bezeichnung ist wohl "Trivex". Info z.B. hier

http://corporateportal.ppg.com/NA/chemi ... al/Trivex/
O
Oppicker
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von Oppicker »

@xiaowei
Ist natürlich richtig! Ich habe mich unsauber artikuliert, denn es bezog sich mein "optimal" nur auf die Zähigkeitsvorteile bei rahmenlosen Brillen ( um die es im Thread ja auch geht).
Die spinnen, die Amis. Es sollte für uns nicht ausschließlicher Maßstab sein, ob Gläser einen Kugelfalltest überleben. Was soll der Quatsch. :?
Allerdings hat auch TriLight (TriVex) seine Nachteile. Auch da sollten wir bei dünnen Gläsern lieber nicht von verlässlicher optischer Qualität sprechen. Von unseren armen Schleifscheiben mal ganz abgesehen...... :mrgreen:
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manhet
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von manhet »

Hallo,
nach den bisherigen postings ist es wohl besser, bei Verwendung von PC-Gläsern eine Brille mit Gläserfassung zu wählen als eine randlose.
Dann dürften auch alkoholhaltige Reinigungstücher unproblematisch sein.
Weiß jemand die von Zeiss verwendete Gläserbezeichnung für die aus Trivex-Material hergestellten?
MfG
m.
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01af
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von 01af »

xiaowei hat geschrieben:Die Amerikaner haben panische Angst vor Objekten, die evtl. durch Brillengläser dringen könnten! Was machen Nicht-Träger?
Na ja ... es ist immerhin ein Unterschied, ob ich z. B. einen Golfball aufs Auge bekomme -- oder einen Golfball zusammen mit einem Haufen scharfkantiger Splitter.

-- Olaf
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stolli
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von stolli »

Hallo,
ja es macht bestimmt einen Unterschied, ob ich einen Golfball ungebremst mit 160km/h aufs Auge bekomme, oder auf eine Brille welcher Gläserart auch immer, denn:
bei einem ungebremsten Aufprall (ohne Brille) erleidet das Auge sicher wesentlich grösseren Schaden, als wenn die Aufschlagenergie durch ein organisches Brillenglas um Grössenordnungen reduziert wird. Das währe mir jede Brille lieber als gar keine!

Der Kugelaufschlagtest findet seine Wurzeln in den, der Realität teilweise völlig entfremdeten, Produkthaftungsgesetzten der USA.
Einen wirklich sinnvollen Nutzen für die Endverbraucher der USA hat dieser Test jedenfalls nicht.
In einem Land wo jeder Spinner mit einer Kanone frei rumlaufen kann, ist das sowieso völlig ohne Bedeutung.

Daß die Amerikaner Probleme haben vernünftige Augenoptik herzustellen und zu praktizieren ist unter Fachleuten bekannt.

Ich lasse mich von deren Produkten und Marketingstrategieen jedenfalls nicht "downgraden".

gruß
stolli
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keinfreiernickname
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von keinfreiernickname »

hallo!

alkohol kann zwar theoretisch polycarbonat angreifen, allerdings nicht wenn die konzentration nur 1% beträgt (wenn wir von gewöhnlichem alkohol = ethanol sprechen).
allerdings ist polycarbonat sehr spannungsrissanfällig, d.h. wenn spannung durch eine etwas zu kleine oder schlecht entgratete bohrung auf die scheibe übertragen wird, können diese spannungrisse entstehen, dazu müssen keine lösungsmittel in die scheibe eindiffundieren. der selbe effekt der spannungsrisse kann auch eintreten, wenn bügel und mittelteil mit zu viel druck mit der montagezange montiert werden.

eine behandlung mit alkoholhaltigen reinigungsmitteln in dieser konzentrationsordnung sollte also keinerlei einfluss auf spannungsrisse im polycarbonatmaterial haben, eher schon die verarbeitung durch den optiker.
- > bei richtiger verarbeitung können problemlos polycarbonatgläser in kombination mit rahmenlosen brillenfassungen verwendet werden (habe selber eine seit 2 jahren - bisher ohne probleme).

an oppicker (und ohne klugscheissen zu wollen): polycarbonate gibt es nicht "viele".
"vielfachkohlenstoff" würde nämlich "polycarbon" heißen....
->polycarbonat ist ein bestimmter werkstoff der aus bisphenol-A mit phosgen hergestellt wird.

bezüglich des angesprochenen, äußerst zähen werkstoffs: oppicker spricht wahrscheinlich scheiben an die aus polyamidmaterial (polyamide gibt es allerdings mehrere z.b. pa6,pa6-6, aromatische polyamide etc.) gefertigt werden. grundsätzlich ein gutes material, nur eben zäher und hat dadurch weniger festigkeit als polycarbonat (und ist teurer).


so, das war mein senf dazu,
grüße, keinfreiernickname
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Oppicker
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von Oppicker »

@keinfreiernick
Lysergsäurediäthylamid wäre bestimmt noch frei gewesen
:mrgreen:
polycarbonat ist ein bestimmter werkstoff der aus bisphenol-A mit phosgen
Wusst ich ´s doch !! :mrgreen:

Hallo!

Ich bitte sogar darum, klugzuscheißen, denn nur so kann man auch was lernen. Ich gebe auch gerne zu, dass Chemie noch nie mein Ding war, entsinne mich aber, dass bei Einführung von Polycarbonat in die Augenoptik lange mit der zu geringen Homogenität gekämpft werden musste. Ich bezweifle auch - ehrlich -gesagt - dass die Schale meines Motorradhelms aus dem selben Material bestehen sollte, aus dem die Brilengläser bestehen. Bin ich da so falsch gewickelt?
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keinfreiernickname
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von keinfreiernickname »

hallo oppicker!

das visier deines motoradhelms kann sicherlich aus polycarbonat bestehen. polycarbonat wird sehr oft in der industrie eingesetzt z.b. bestehen die meisten scheinwerfer, blinkerabdeckungen etc. auch daraus.
die schale deines motorradhelms wird wahrscheinlich aus polyamid bestehen, es gibt ja, je nach einsatzgebiet verschiedenste polyamide (je nachdem welche dicarbonsäuren und diamine als ausgangsstoffe kombiniert werden; es gibt auch welche die aus caprolactam hergestellt werden), z.b. ist kevlar (hochfeuerfeste fasern) genauso wie nomex (fasern mit höchster zugfestigkeit)ein aromatisches polyamid. und es gibt noch sehr viele andere.
polyamid ist nämlich nur der überbegriff für eine ganze kunststoffgruppe, die kunststoffe mit verschiedensten eigenschaften beinhaltet.

kein problem, wenn chemie nicht so dein ding ist. als chemiker bin ich nicht umhin gekommen solche dinge zu lernen.
im gegenzug schmökere ich sehr gerne hier im forum, um mich beim thema optik und den problemstellungen dazu etwas schlau zu machen.
mfg, keinfreiernickname.
Zuletzt geändert von keinfreiernickname am Dienstag 4. März 2008, 18:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Oppicker
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von Oppicker »

*würg* Wikipedia auf - und sehr schnell wieder zugemacht.
Meine Schulzeit kommt wieder hoch....! Alkane, Alkene, Alkine, Seifen und Alllohole, Nitrate und Nitrite, Salze, Säuren und Laugen. Organische Chemie mit ihren schier unerschöpflichen Kombinationsmöglichkeiten vor allem an Kohlenwasserstoffverbindungen waren mir immer zutiefst zuwider.
Naja, zum Optiker hat ´s gelangt.

Was ist denn ein "qm" in einem Brillenkonzern?
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xiaowei
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von xiaowei »

manhet hat geschrieben:Hallo,
Weiß jemand die von Zeiss verwendete Gläserbezeichnung für die aus Trivex-Material hergestellten?
MfG
m.
Nee, gerade gestern noch mal bei Zeiss Augenoptik nachgeschaut, die haben nix was in Bezug und n aund nue dort zu liegen scheint,
oder irgendwie "Tri..." heisst, offensichtlich ist Zeiss noch nicht "auf diesen Zug aufgesprungen"

XW
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manhet
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von manhet »

keinfreiernickname hat geschrieben: bezüglich des angesprochenen, äußerst zähen werkstoffs: oppicker spricht wahrscheinlich scheiben an die aus polyamidmaterial (polyamide gibt es allerdings mehrere z.b. pa6,pa6-6, aromatische polyamide etc.) gefertigt werden. grundsätzlich ein gutes material, nur eben zäher und hat dadurch weniger festigkeit als polycarbonat (und ist teurer).
oppicker schreibt aber von Trilight. Das ist der Werkstoff Trivex, der von der US-Fa. PPG 2001 entwickelt wurde. Dabei handelt es sich chemisch um ein Polyurethan. Dieser Werkstoff hat ähnliche opt. Eigenschaften wie Polycarbonat aber vor allem eine Menge von Gebr. Vorteilen:
- Geringere Dichte, dadurch leichter.
- Resistent gegenüber z.B. Ethanol, Methanol und anderen Alkoholen sowie weiteren org. Lösungsmitteln, wie z.B. Aceton.
- Leichte Verarbeitung insbesondere bei Bohrbrillen. Kann also von (fast) :mrgreen: jedem Optiker ohne spezielles Werkzeug bearbeitet werden.

Mein Optiker kannte dieses organische Gläsermaterial bisher garnicht, da er von Zeiss beliefert wird und die führen Gläser aus diesem Werkstoff nicht im Sortiment :( .
Trotzdem hat er mir als gutem langjährigen Kunden inzwischen die Polycarbonat-Gläser kostenlos gegen andere organ. Gläser mit der Index-Bez. 1.6
getauscht :D. Leider konnte er mir dabei aber nicht den Werkstoff der neuen organischen Gläser von Zeiss benennen.

MfG
m.
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Oppicker
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Re: Ärger mit Polycarbonatgläsern

Beitrag von Oppicker »

Ist vielleicht auch nicht so wichtig.
1,6er Kunststoff-Gläser sind ebenfalls sehr zäh, wenn auch nicht ganz so weitgehend wie ein Polycarbonat.
Trilight ist ziemlich biegsam. bei dünnen Gläser leidet die Stabilität und damit die optische Güte.
Es ist sehr hart. Die Schleifscheiben der Optiker müssen ein Vielfaches der Belastung durch normales CR39 aushalten.
Es eignet sich deshalb m. E. nur für Bohrbrillenverglasungen (aber erst ab mind. 2,5mm Mittendicke) und evtl. für hohe Glasstärken.
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