"Dünner geschliffene Gläser"

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Traumtänzerin
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"Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Traumtänzerin »

Ich habe es immer wieder mitbekommen, wie Optiker ihren Kunden "dünner geschliffene Gläser" in den höchsten Tönen anpreisen. Bisher glaubte ich, das wäre eher das Gerede von Optikfachverkäufer/innen , nun habe ich es aber auch bei einem Optiker gehört, von dem ich sehr viel halte.

Meine Frage nun: Ist die inflationäre Verwendung dieses Begriffes eigentlich gerechtfertigt bzw. Inwieweit ist der Terminus "dünner geschliffene Gläser" eigentlich korrekt?

Wenn Gläser dünner sind, weil sie einen höheren Index haben (und das ist es, was mir selbst als "dünner geschliffene Gläser" angeboten wurde), dann liegt das doch nach meinem Verständnis nicht am Schliff, sondern am Glasmaterial, das einen höheren Brechwert hat.

Wenn Gläser dünner sind, weil sie asphärisch sind, gut, dann mag es gelten mit dem "dünner geschliffen" - obwohl ja bei Minusgläsern die Asphäre für die Dicke nicht so viel bringt wie bei Plusgläsern.

Wie ist es bei Plusgläsern mit Mittendickenreduzierung? Liegt es da am Schliff?

Die Trickserei, um dicke Glasränder möglichst unauffällig in einer Fassung unterzubringen, z.B. durch geschickten Schliff der Facette oder etwas stärkeres Kantenbrechen, das würde ich persönlich auch noch unter "dünner geschliffen" einordnen.

Aber: Ist die Verwendung des Begriffes für alles, was dünner ist als normal, eigentlich korrekt?
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DI Michael Ponstein
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von DI Michael Ponstein »

du musst vier dinge hier voneinander unterscheiden.
dünner durch dichter gepacktes material, je höher der index umso schlanker wird das glas.
rand oder mittendicke reduzieren sich.

optimierter durchmesser. durch nutzung des kleinstmöglichen durchmessers wird das dünnst mögliche bei gleichen grundmaterial kostengünstig erreicht. hierbei kann auch der optische mittelpunkt dezentriert werden, was das glas in seinem rohdurchmesser reduziert.

mittendickenminimierung. durch berechnung von schlifftechnik, optimierter form usw. wird das dünnstmögliche erreicht. hierbei erhält der optiker, dann kein rundes glas mehr als rohling, sondern bereits ein angeformtes.

nutzung von asphären zur dickenminierung.

auch ein vermischen von allen bereichen ist möglich. alles dann eine preisfrage.
Refraktionieren mit Spaß!? Refraktions-Teste für Tablet von iPadMeikel: Sehteste für iPad&Co Info http://www.optik-freise.de Spezialialist: Besser Sehen, Myopiemanagement mit Ortho-K oder Miosmart, sowie Orcam zertifiziert für LowVision.
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brillenpeter
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von brillenpeter »

Hallo Traumtänzerin,
man kann zu Pellkartoffeln auch Abziehkartoffeln sagen. :D

Letztendlich sind die Gläser dünnergeschliffen, egal ob beim Einschleifen durch den Augenoptiker oder beim Schleifen beim Glashersteller.
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Traumtänzerin
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Traumtänzerin »

Danke für eure Antworten!
brillenpeter hat geschrieben: Letztendlich sind die Gläser dünnergeschliffen, egal ob beim Einschleifen durch den Augenoptiker oder beim Schleifen beim Glashersteller.
So weit klar, und ich verstehe auch, dass es sehr unterschiedliche Maßnahmen gibt, um die Dicke zu reduzieren, aber: Inwiefern sind Gläser allein dadurch, dass sie einen höheren Brechungsindex haben, dünner geschliffen ????. Oder gibt es Gläser mit höherem Index gar nicht ohne eine der anderen dickenreduzierenden Maßnahmen, so dass sie im Endeffekt tatsächlich immer auch dünner geschliffen sind?

Mir ist klar, dass es für einen Optiker wichtiger ist, präzise zu arbeiten als sich präzise auszudrücken, aber vielleicht findet sich ja doch jemand, der es mir erklären kann? Ich möchte einfach wissen, ob der inflationär verwendete Begriff "dünner geschliffen" eigentlich in jedem Fall zutrifft.
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Distel
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Distel »

brillenpeter hat geschrieben: man kann zu Pellkartoffeln auch Abziehkartoffeln sagen. :D
....gefällt mir. :lol:

Im Rheinland Quellmänner, in Hessen auch Quellkartoffeln, im Saarland Quellesjer, in der Pfalz Gequellde, in der Oberlausitz Ganze Abern, in Österreich meist nur gekochte Erdäpfel genannt, in der Schweiz und in Süddeutschland Gschwellti ...
Viele Namen, aber immer sind es gekochte, ungeschälte Kartoffeln. :wink:
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palmi
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von palmi »

Hier ist die Brillenglasherstellung gut beschrieben, Beginn ab Seite 48
http://www.zeiss.de/4125680F0055C122/Em ... /KAP_A.pdf

Der Terminus "dünner geschliffen" trifft in sofern korrekt zu, da bei gleicher dioptrischer Wirkung bei einem höheren Brechungsindex das Glas anders geschliffen wird und damit auch dünner ausfällt. Ein 1.61 Material wird dünner geschliffen als ein 1.50 Brechungsindex Material. Man kann das Haar in der Suppe suchen und technisch jedem Kunden ganz genau erklären, warum - wieso - weshalb, aber wir Augenoptiker sind eh meist schon "Wissensgeil" und darauf aus, viel zu viel Informationen unseren Kunden zu erzählen, die sie gar nicht wissen wollen

Für den Laien ergibt sich eventuell aus dem Ausspruch "dünner schleifen", dass zum Rand hin die Radien abweichen im Vergleich zum Zentrum bei gleich bleibenden Material. Dies trifft ab zum Beispiel auf alle torischen und Asphärischen Gläser ebenfalls zu, während bei einem reinen sphärisch-korrigierenden Glas bei sphärischer Oberflächengestaltung die Radien zum Rand hin gleich bleiben und das egal bei welchem Brechungsindex.
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CHW
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von CHW »

Hallo Traumtänzerin,

der Begriff wir tatsächlich oft für hochbrechende Gläser verwendet. Da ist er streng genommen falsch, genau wie Du es erkannt hast. ABER den meisten Kunden ist es schlichtweg egal warum das Glas dünner ist, Hauptsache es IST dünner. Klar kann man jedem Kunden alles super genau erklären, stundenlang. Bloss interessiert es eigentlich keinen ausser Dich und noch eine Handvoll Anderer in Deutschland.
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wörterseh
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von wörterseh »

Ich mag diesen Begriff überhaupt nicht, ich weiß nicht wie oft ich schon von meinen Kunden gehört habe: "Kann man das nicht noch ein wenig dünner schleifen?" Wenn ich das in einer Woche dreimal hör, stelln sich mir die Nackenhaare auf! :wink:
LG
Wer sich mit einem Idioten streitet beweist das es gerade zwei davon gibt!
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Traumtänzerin
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Traumtänzerin »

Beruhigend, dass ihr meine Einwände versteht und dass ich nicht die Einzige bin, die diesen Begriff nicht mag - auch bei mir haben sich da schon mal die Nackenhaare aufgestellt, und ich wusste bisher nicht, ob zu Recht oder zu Unrecht. Aber Palmis Erklärung kann mich ganz gut mit der Verwendung dieses Begriffes versöhnen - es liegt doch auf der Hand, dass ein Glas aus hochbrechendem Material natürlich dünner geschliffen werden muss als eins aus CR39, um die gleiche dioptrische Wirkung zu erzielen.

Danke auch für den Link, palmi. Ich kannte ihn schon und ich kann ihn allen Wissbegierigen sehr empfehlen. Was mir nur dort schon vor einiger Zeit aufgefallen ist: Wirklich aktuell ist das Ganze ja nicht, dort ist bei den organischen Gläsern nur von Index 1,501, 1,600 und 1,665 die Rede - 1,74 gab es da wohl noch nicht? Wäre natürlich interessant zu wissen, wie diese Gläser hergestellt werden, aus einem Monomer wie CR39, aus zwei Monomeren wie die dort genannten höherbrechenden Gläser oder vielleicht ganz anders?

Was ich dort übrigens gar nicht kapiert habe, ist der Atorus. Aber ich glaube, den können auch die meisten Optiker nicht mal eben so aus dem Effeff erklären. Ich jedenfalls kann gut leben, ohne ihn zu begreifen.
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LöweNRW
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von LöweNRW »

Hallo Traumtänzerin,

wenn ich die Fragen hier so verfolge... Dich stört offensichtlich die pauschale Bezeichnung 'dünner geschliffen'. Warum auch immer... :wink:

Ich vermute mal. dass die Rohlinge dieser höherbrechenden Linsen von Haus aus schon dünner sind. Also nicht nur dünn geschliffen werden. Warum sollte man Material verschwenden?

Aber das ist nur meine Vermutung. Wirklich wissen kann das nur ein fachkundiger Mitarbeiter beim Glashersteller ! Vermutlich sind da auch die meisten Optiker überfragt.

Aber von Bedeutung ist doch das Ergebniss ! Das Glas IST dünner... :wink:

nette Grüße und ein schönes Wochenende :)
Alle sagen: 'das geht nicht!' Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat es einfach gemacht... ;)
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Karoshi
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Karoshi »

Dünner "geschliffen" mag ich auch überhaupt nicht, weil das in den allermeisten Fällen einfach falsch ist. Meine Kunden sollen wissen was wir für einen Aufwand betreiben um ihnen sexy Gläser zu gönnen. Dünner geschliffen ist mir einfach zu profan :-D
Des Menschen Leben gleicht der Brille. Man macht viel durch. -- Heinz Erhardt
staatl. gepr. Augenoptiker und Augenoptikermeister FFA München 2011
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prüflingsprüfer
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von prüflingsprüfer »

... und "dünner geschliffen" heißt nicht automatisch "leichter", gell !
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Traumtänzerin
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von Traumtänzerin »

prüflingsprüfer hat geschrieben:... und "dünner geschliffen" heißt nicht automatisch "leichter", gell !
Je nachdem, ob das "dünner geschliffen" wörtlich gemeint ist oder entsprechend dem leider weit verbreiteten schludrigen Sprachgebrauch jegliche Methode der Dickenreduzierung bezeichnet. Wenn man ein identisches Glasmaterial durch einen asphärischen Schliff oder eine der Schleifmethoden, die palmi genannt hat, dünner macht, müsste das fertige Brillenglas doch eigentlich leichter sein. Wenn man aber höherbrechendes Glasmaterial nimmt, kann es durch das höhere spezifische Gewicht natürlich passieren, dass das fertige Glas zwar dünner, aber nicht leichter ist.

By the way: Dicke, Index und Glasmaterial - ich habe vor ca. 1 1/2 Jahren mal gefragt, ob Kunststoffgläser bei gleicher Größe und gleichem Index eigentlich dicker sind als Mineralglas (das war der Thread, der dann so sehr in Anzüglichkeiten unterging, dass der komplette Mittelteil in den geschlossenen Bereich verschoben werden musste). Ich bekam damals die Antwort, dass bei gleichem Index und gleichem Schliff Kunststoff- und Mineralgläser gleich dick sind. Nun bin ich aber heute bei Zeiss auf folgenden Satz gestoßen: Selbst bei gleichem Brechungsindex sind Brillengläser aus Glas immer dünner als solche aus Kunststoff – dafür allerdings auch wesentlich schwerer. Ist das jetzt so zu verstehen, dass Kunststoffgläser in der Praxis IMMER anders geschliffen und dadurch dicker sind, oder stimmt das nicht, was Zeiss behauptet?

Da habe ich es übrigens gefunden: http://vision.zeiss.com/better-vision/d ... -glas.html
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palmi
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Re: "Dünner geschliffene Gläser"

Beitrag von palmi »

Traumtänzerin hat geschrieben:By the way: Dicke, Index und Glasmaterial - ich habe vor ca. 1 1/2 Jahren mal gefragt, ob Kunststoffgläser bei gleicher Größe und gleichem Index eigentlich dicker sind als Mineralglas (das war der Thread, der dann so sehr in Anzüglichkeiten unterging, dass der komplette Mittelteil in den geschlossenen Bereich verschoben werden musste). Ich bekam damals die Antwort, dass bei gleichem Index und gleichem Schliff Kunststoff- und Mineralgläser gleich dick sind. Nun bin ich aber heute bei Zeiss auf folgenden Satz gestoßen: Selbst bei gleichem Brechungsindex sind Brillengläser aus Glas immer dünner als solche aus Kunststoff – dafür allerdings auch wesentlich schwerer. Ist das jetzt so zu verstehen, dass Kunststoffgläser in der Praxis IMMER anders geschliffen und dadurch dicker sind, oder stimmt das nicht, was Zeiss behauptet?
Vor ein paar Tagen von unserem optikgutachter schon fast beantwortet:
optikgutachter hat geschrieben:Übrigens ist die Mittendicke von 1,74ern höher als bei 1,67ern (das 1,74er Material ist weicher !)
Nicht selten sind im Bereich von bis zu -6,00 dpt. 1,74er -infolge dieser anderen Mittendicke-
auch am Rand DICKER als die 1,67er.
Organisch oder Mineralisch ist prinzipiell erstmal wurst, die Dicke wäre die gleiche bei gleichem Brechungsindex. Organisch 1,61 = Mineralisch 1,61 in puncto Dicke.
ABER: Die Brechungsindizies zwischen Kunststoff- und Mineral-Gläsern sind nicht exakt gleich, sondern unterschiedlich. Ein 1,67er Glas gibt es nicht bei Mineralgläsern und 1,70 umgedreht nicht bei Kuntstoffgläsern.
Würde es 1,74 bei Kunststoff- und Mineralgläsern gleich geben, wäre das Mineralglas das dünnere, da das Kuntstoffglas ein höhere Mittendicke hätte um die Stabilität zu gewährleisten die es beim Einschleifprozess und beim Einarbeiten aufbringen muss.
Ansonsten gilt bei gleichem Brechungsindex, gleiche Dicken, rein theoretisch.
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