Okay, Beispiel, liegt gerade vor mir:
Gleitsichtglas, nach individuellen Parametern gefertigt. Geeignet für eine minimale Einschleifhöhe von 17 mm.
Der Messpunkt zum Kontrollieren der Stärke liegt ca. 14 mm unterhalb des Fernbezugspunkts. Der Inset dort beträgt ungefähr 2,5 mm. Dort messe ich aber nicht unbedingt die Stärke, die der Kunde braucht, weil der Winkel, mit dem durch das Glas gemessen wird, ein anderer ist, als der Winkel, in dem der Kunde (nach unten) durch das Glas schaut, was der Hersteller aber bei der Berechnung des Glases berücksichtig hat.
Der Punkt, in dem ich ein stabiles, ablenkungsfreies Testbild im Messgerät sehe, liegt ca. 22 mm unterhalb des Fernbezugspunkts und knapp 5 mm nach innen versetzt.
Ohne die Angabe, was für ein Glas vorliegt (und welche Messwerte ich wo messen müßte), würde ich also allenfalls bei 22 mm einen Inset von 5 mm herausbekommen. Dort würde der Kunde aber möglicherweise unscharf sehen, weil dort die Abweichungen bzgl. des Durchblicks- und Mess-Winkels noch größer sind (mal abgesehen davon, daß er dort auch nicht durchschauen würde, weil er dann ziemlich schielen müßte und seitlich versetzte Doppelbilder hätte, weil diese Punkte geometrisch nicht zur normalen Nahsehentfernung passen würden, s.u.). Außerdem ist das Glas nach dem Einarbeiten vielleicht auch schon nach 20 mm zuende...
Hinzu kommt: Wurde vorher nur eine Einstärkenbrile getragen, mußte auch mit dieser Brille beim Nahsehen konvergiert werden, also auch die Fernbrille hatte irgendwo "Nahdurchblickpunkte". In diesen Punkten wirkte dann eine prismatisch Wirkung, welche die Konvergenz beeinflußt - je nach Korrekturwert mußte der Brillenträger also entweder mehr oder weniger konvergieren als ohne Brille (z.B. mit Kontaktlinsen). Das bedeutet, daß es möglicherweise sinnvoll sein kann, auch bei der Gleitsichtbrille im Nahdurchblickpunkt die prismatische (Neben-)Wirkung der gewohnten Fernbrille einzubauen bzw. zu belassen. Diesen Messpunkt (und damit den Inset) kann ich aber nur finden, wenn ich die prismatisch Wirkung kenne, die ich dort suche müßte. Oder ich müßte die Lage des Messpunkts kennen, um dort die prismatische Wirkung zu ermitteln.
Und der Versuch, vor der Anfertigung der Brille mittels Spiegel, Filzstift oder sonstwie den später zu fertigenden Inset zu bestimmen, ist ebenfalls sinnlos: Aus Objektpunkt, Objektentfernung und Augenabstand ergibt sich ein eindeutiges Dreieck. Wenn dann der Abstand zwischen Auge und Brillenglas festliegt, ergeben sich rein geometrisch und mathematisch berechenbar zwei exakt definierte Durchblickpunkte. Wenn eine Messung der Lage dieser Punkte vom berechneten Ergebnis abweicht, wurde falsch gemessen.
Weder Messung noch Berechnung berücksichtigen allerdings die Dioptrien (s.o.), die später im Glas sind (und deren möglicherweise prismatischen (Neben-)Wirkungen) sowie die Durchbiegung der späteren Gläser, welche wiederum einen Einfluß auf den Abstand zwischen Brillenglas und Auge haben.
Daher ist der einzige, der wirklich den benötigten Inset bestimmen könnte, der Brillenglashersteller.
Rate dreimal hintereinander richtig, und du wirst den Ruf eines Experten haben.
(Laurence Johnston Peter (1919-90), amerik. Managementberater)