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Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 27. November 2009, 16:16
von blindfish09
Liebe Augenoptiker,

ich leide seit meiner Kindheit aufgrund einer verspäteten Schieloperation an Amblyopie auf dem rechten Auge. Der Visus links ist korrigiert (+6,0 in der Ferne, Nah + 7,75) 100%.
Der Visus rechts ist unter 0,1, sodass sich - vor allem beim Lesen und bei Bildschirmarbeit (was leider Gottes mein Beruf ist ...) - eine Diplopie in Form eines undeutlichen horizontal verschobenen "Geisterbild" störend auswirkt.
Um diese Störung weitgehend zu minimieren, habe ich seit ca 10 Jahren rechts ein unterkorrigiertes Ausgleichsglas mit Prisma (+3, Prisma 4cm/m Basis 0).
In die Jahre gekommen, wirkt sich die Altersweitsichtigkeit aus, sodass ich nun eigentlich drei Brillenstärken brauche: Fernbrille, Bildschirmbrille, Nahbrille. Das ständige Brillenwechseln ist im Arbeitsalltag schier unzumutbar.
Ich habe nun eine Gleitsichtbrille (Varilux Comfort Stylis Crizal A2) mit folgenden Werten erhalten:
R sph: Ausg cyl: +0,00 Achse 0 Add 0,00
L sph: +6,00 cyl: -0,75 Achse 80 Add: 1,75

Ich war darauf vorbereitet, dass es eine große Umstellung ist, wenn man zum ersten Mal eine Gleitsichbrille bekommt. ich bin aber tapfer, und trage sie seit ca. 2 Wochen - trotz sehr eingeschränktem Sichtfeld und leichten Kopfschmerzen - fast den ganzen Tag.

Ich muss allerdings sagen: für die Arbeit (vorwiegend Bildschirm) ist sie extrem ungeeignet, da in dem erforderlichen Abstand (mein 22"-Bildschirm steht im Portrait-Modus, also Hochkant ca. 85 cm von den Augen entfernt) liefert das linke Glas nur in einem Umkreis von ca. 20 cm ein scharfes Bild. Ich muss also den Kopf ständig bewegen. Dies war mit meiner bisherigen Bildschirmbrille (+7,25) nicht der Fall.

Insgesamt ist der nutzbare Schärfebereich der neuen Gleitsichtbrille - je nach Abstand - von extrem winzig (beim Zeitunglesen vielleicht 2-3 cm Umkreis) bis zur Ferne (höchstens ein Drittel der horizonlalen Breite des Glases) sehr klein.

Hinzu kommt, dass sich das "Geisterbild" wieder leicht einstellt (trotz Prisma!), was die Sehschärfe weiter mindert.

In den Bereichen, wo es scharf ist, ist es gestochen scharf. Die Bereiche sind nur leider sehr, sehr eng und das "Schaukeln" vesrchwindet auch nach zwei Wochen Tragen nicht.

Bin ich zu ungeduldig?

Andererseits habe ich gelesen, sog. Freiformgläser sollen hier wesentlich besser sein.

Da ich gewohnt bin, nur mit dem linken Auge zu sehen, ist meine Augenstellung auch anders als bei beidäugig Sehenden. Dies ist in diesem Gleitsichtglas offenbar auch nicht berücksichtigt: Ich muss den Kopf immer leicht nach links drehen, um in die Schärfezone zu kommen.

Kann eine andere Technologie hier eine wesentliche Verbesserung bringen, oder muss ich auf Gleitsicht verzichten?

Grüße vom Blindfisch

Re: Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 27. November 2009, 16:46
von benkhoff
hallo blindfisch,

also zu ungeduldig sind Sie nicht. Aber: in den neuen Gleitsichtgläsern ist eigentlich rechts KEIN Prisma eingebaut (daher kommen die "Geisterbilder" wieder), wenn die Daten, die Sie angegeben haben, komplett sind. Außerdem sind die gekauften Gleitsichtgläser sog. Allround-Gläser, also nicht explizit fürs Bildschirm- und Büro-Arbeiten geeignet. Da, also nur fürs Büro-Arbeiten, wären die sog. "business"- oder "office"-Gläser besser gewesen.
Zum Problem mit den "kleinen Sehzonen": im Gegensatz zu den Ihnen bisher gwohnten Einstärkengläsern sind die Sehzonen der Gleitsichtgläser immer einiges kleiner, da kann man nichts machen.
Zu dem Problem des "Kopf-nach-links-Drehens" um in die Schärfezonen zu kommen: hat Ihr Optiker von der Schielproblematik genau Bescheid gewußt?

Lösung der Probleme: ein Umtausch der normalen Gleitsicht-Gläser in "business"-Gläser MIT Prisma rechts, eine Verlagerung des Computer-Bildschirms, möglichst nach unten auf den Tisch (also nicht zu hoch stellen, sonst müssen Sie den Kopf immer in den Nacken legen), und außerdem eine Einstärkenbrille MIT Prisma rechts (also wie bisher). Eine "normale" Gleitsichtbrille wird Ihnen, mit diesen spezifischen Sehproblemen, NIE die volle Zufriedenheit geben und die beste Lösung sein.
Sie müssen dann zwar, wenn Sie morgens das Büro betreten einmal "wechseln" und die spezielle Büro-"Gleitsicht"-Brille aufsetzen, aber nicht ständig wechseln. Zum normalen Weitsehen haben Sie dann die Einstärkenbrille. Natrülich können Sie die Bürobrille auch zuhause beim Lesen verwenden.

mfG

Re: Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 27. November 2009, 16:58
von blindfish09
Hallo Benkhoff,

danke, ich habe ganz vergessen: das rechte Glas ist mit Prisma 5,00 / 0 und als Einstärkenglas ausgeführt.

Zu den Office-Gläsern: haben diese einfach eine geringere Variationsbreite, also z.B. von 60 cm - 1,50 m? Das hatte ich ursprünglich eigentlich vor. Der Optiker meinte allerdings, wir sollten mal die volle Variationsbreite probieren, also 40 cm - unendlich. Das ist offensichtlich nichts für mich!

Danke für die Hinweise!

Es grüßt der Blindfisch

Re: Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 4. Dezember 2009, 11:49
von blindfish09
Hallo benkhoff,
benkhoff hat geschrieben:Außerdem sind die gekauften Gleitsichtgläser sog. Allround-Gläser, also nicht explizit fürs Bildschirm- und Büro-Arbeiten geeignet. Da, also nur fürs Büro-Arbeiten, wären die sog. "business"- oder "office"-Gläser besser gewesen.


Lösung der Probleme: ein Umtausch der normalen Gleitsicht-Gläser in "business"-Gläser MIT Prisma rechts, eine Verlagerung des Computer-Bildschirms, möglichst nach unten auf den Tisch (also nicht zu hoch stellen, sonst müssen Sie den Kopf immer in den Nacken legen), und außerdem eine Einstärkenbrille MIT Prisma rechts (also wie bisher). Eine "normale" Gleitsichtbrille wird Ihnen, mit diesen spezifischen Sehproblemen, NIE die volle Zufriedenheit geben und die beste Lösung sein.
Sie müssen dann zwar, wenn Sie morgens das Büro betreten einmal "wechseln" und die spezielle Büro-"Gleitsicht"-Brille aufsetzen, aber nicht ständig wechseln. Zum normalen Weitsehen haben Sie dann die Einstärkenbrille. Natrülich können Sie die Bürobrille auch zuhause beim Lesen verwenden.



Ich habe beim Hersteller (Essilor) selbst angerufen. Die Dame sagte: die sog. Computer-Brille gibt es (bei Essilor) nur bis +5 Diopt. Sie würde empfehlen, bei den Varilux Comfort zu bleiben, aber den Inset verändern zu lassen (für einäugiges Sehen sollte man die Drehung des Leseteils nach innen herausnehmen) und die Schärfezone bei 80 cm größer machen zu lassen. Dies sei kein Problem und Essilor mache das neue Glas kostenlos.

Bleibt noch das Problem mit dem Prisma:

Ich hatte das Prisma (+5 / 0) bisher in meiner Fernbrille (Einstärkenglas links mit +6 Diopt.)
Da der Optiker das Phänomen mit dem Doppelbild vom schwachen Auge so noch nicht kannte, hat er gesagt: wenn Sie bisher mit dem Prisma gut zurecht gekommen sind, lassen wir dasselbe im Ausgleichsglas.
Nun hat er gestern noch einmal nachgemessen, und zwar beim Arbeitsabstand v. 80 cm. Wir haben festgestellt, dass das Doppelbild, welches nur bewusst zu sehen ist, wenn ich beide Augen ganz entspannt lasse, sich mit dem Prisma +5 immer noch einstellt, nur etwas weniger weit links unten verschoben vom scharfen Bild des linken Auges als ohne Prisma (meine bisherige "Bildschirmbrille" hat +7,25 links und kein Prisma rechts).
Um weiter in die Richtung Deckungsgleichheit zu kommen, hat er ein Pri. mit +12 eingesetzt: das Bild war etwas näher am "Guten" aber immer noch leicht links unten davon. Mehr Prisma konnte er rechts nicht in die Testbrille einbauen. Er meinte aber, bei einem solchen Prisma müsste das Bild schon längst "im Gemüsegarten" sein.
Er hat dann nochmal mit der normalen Messentfernung gemessen und bei Prisma +10 /0 und nach oben +3 war das Doppelbild einigermassen neutralisiert. Aber eben nur auf die Entfernung.
Bei 80 cm wäre wohl ein wesentlich stärkeres Prisma notwendig.

Er hat mir dann geraten, zu einem bekannten Augenarzt zu gehen, der eine angeschlossene Sehschule hat, wo sie sich mit Schielproblematiken gut auskennen. Problem: dieser Arzt hat erst wieder einen Termin am 17.02.2010...

Frage:

Sind Prismen mit über +12 (wahrscheinlich +15 - +20) überhaupt noch glastechnisch in ein Brillenglas zu bringen und wie dick wird so ein Glas dann ungefähr?

Viele Grüße

Re: Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 4. Dezember 2009, 12:43
von benkhoff
hallo!
Toll, daß man sich um Sie so gut kümmert, und daß Essilor schon einen kostenlosen Glasumtausch anbietet!

Das höhere Prisma in der Nähe ist produktionstechnisch gesehen kein Problem, die Dicke kann man leider so nicht vorhersagen, denn da sind viele Parameter relevant (Glasform, Zentrierdaten, Glasmaterial und natürlich die Glaswerte, usw). Aber man kann die Gläser, wenn die endgültigen Werte erstmal gefunden sind, durch eine günstige Glasform und entsprechend hochbrechende Materialien (zb 1.6 oder 1.67 Materialien) möglichst dünn anfertigen.
Prismen über 10dpt kommen zwar nicht häufig vor, sind aber auch keine Seltenheit. Und wenn bei Ihnen mit einem Prisma von zB 15dpt die Diplopie verschwindet oder geringstmöglich gehalten wird, und Sie damit besser sehen/zurechtkommen, warum nicht?? "Nichts ist unmöglich" - schon garnicht in der Optik!
Eine Sehschule wird Ihnen vermutlich nicht soviel "bringen" (Sie sind ja schon aus der "Wachstums-Zeit"/Pubertät heraus), eventuell aber eine OP. Ob Sie danach aber besser oder schlechter sehen werden als jetzt, wo ja das Problem schon fast behoben wird durch die Brille, kann man nie vorhersagen... zumal Sie ja auch noch bis Mitte Februar warten müssten...

Re: Gleitsichtbrille bei Amblyopie und Diplopie

Verfasst: Freitag 1. Januar 2010, 10:23
von Humungus
benkhoff hat geschrieben:Eine Sehschule wird Ihnen vermutlich nicht soviel "bringen" (Sie sind ja schon aus der "Wachstums-Zeit"/Pubertät heraus), eventuell aber eine OP.
Nur, um hier den Laien (und Ihnen) zu erklären, was eine "Sehschule" überhaupt ist:

in einer Sehschule wird ein orthoptischer Befund erstellt. Mit "Sehübungen" hat das primär nichts zu tun. Folglich ist auch für einen Erwachsenen der Besuch einer Sehschule absolut indiziert, um den Schielstatus zuverlässig feststellen zu können - und nicht durch "Probieraufsetzen" verschiedener Prismen. Auch vor einer OP ist der Besuch einer Sehschule obligat.

Der Begriff "Schule" ist historisch begründet, heutzutage wird in einer Sehschule untersucht und nicht gelernt.

Ich wundere mich zwar, dass bei blindfish keine Exklusion stattfindet, obwohl das eine Auge amblyop ist, aber wir müssen es so akzeptieren. Die Refraktion des rechten Auges hätte mich einmal interessiert. Möglich, dass man es durch eine andere Vernebelung als die bisherige "wegkicken", also exkludieren lassen kann, dann wäre das Prismenproblem gelöst.

Die Beschreibung, dass das Doppelbild "links unten" ist, weist auf eine Höhenkomponente des Schielens hin. Diese sollte ebenfalls geprüft werden.

Und wenn mehr Prismen nötig sind, könnte man diese doch auf beide Gläser verteilen. Aber das können die Optiker hier besser beurteilen.

Zuletzt zum Verständnis des Verhältnisses von Amblyopie, Schielen und OP: blindfish, Sie wären auch mit rechtzeitiger OP amblyop geworden. Der Fehler war bei Ihnen eine unterlassene, zu spät begonnene oder nicht korrekt durchgeführte Okklusionsbehandlung ("Abkleben"). Eine OP hat bei Schielen nur in Ausnahmefällen einen therapeutischen, und im Alltag "nur" einen kosmetischen Zweck. Grund: Nur, wenn nach der OP die Augen absolut parallel stehen würden, könnte man noch eine wechselnde Fixation beider Augen erreichen. Dies ist aber nahezu nie der Fall. Darum muss trotzdem (und das ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt) okkludiert und Brille getragen werden.