Da ich viel mit Biologischer und Wahrnehmungspsychologie zu tun habe, erlaube ich mir einen Kommentar. Vorweg und wichtig, ich bin kein Optiker und kein Augenarzt. Ich hoffe trotzdem, das "meine" Perspektive vielleicht ein bisschen zum Verständnis beitragen kann. Soviel vorweg. Ich denke, man muss verschiedene Sachen voneinander unterscheiden, was bestimmte Tönungen/Beschichtungen können und was nicht.
Unterschiedliche Wellenlängen werden an der Linse unterschiedlich stark gebrochen. Bei Tageslicht fokussiert man automatisch so, dass der Brennpunkt für die Wellenlängen genau auf der Fovea liegt, für die man die höchste Sensitivität hat. Für Tagessehen ist das bei 555 nm, also knapp in der Mitte zwischen den Absorptionsmaximum der M-Zapfen / "Grün" (534 nm) und der L-Zapfen / "Rot" (563 nm), die für das Farbensehen zuständig sind. Dazu kommen noch die S-Zapfen mit Maximum bei 430 nm / "Blau". Die S-Zapfen sind anders verteilt, insbesondere gibt es keine im Zentrum der Fovea. Wenn die Linse nun aber optimal für z.B. 555 nm eingestellt ist, dann wird kurzwelligeres, blaues Licht stärker gebrochen, der Brennpunkt liegt vor der Fovea, man sieht das blaue Licht (etwas) unscharf. Dieser Effekt ist störend und kann zur Augenermüdung führen, ganz unabhängig davon, ob und wenn ja, was blaues Licht sonst so anstellt.
Es gibt nun diese speziellen orange-getönten Brillen, bei denen blaues Licht und auch grünes bis z.B. 540 nm weitgehend absorbiert wird (für ein Beispiel und weil ich da ein Diagramm gefunden habe z.B. nach Uvex SCT-Orange spektrum googlen). Sie dienen dazu, 1) UV-Licht zu filtern, was für Leute wichtig ist, die eben unter UV-Licht arbeiten. Außerdem wird 2) blaues Licht gefiltert, was die störenden Effekte wegen des anderen Brennpunkts eliminiert, damit zu erhöhtem Kontrast in den anderen Bereichen führt und dadurch die Augen weniger beansprucht, was beides bei der Arbeit hilft. Es gibt auch andere Tönungen, um den Kontrast für andere Wellenlängen zu erhöhen, wenn man dafür Bedarf hat. Der primäre Sinn und Zweck dieser Orangetönung ist also nicht, Leuten mit Schlafstörungen zu helfen und/oder "schädliches blaues Licht" im Sinne von "zerstört Retina/Auge" zu filtern.
Der zweite Punkt ist
kurzwelliges Licht und Schlaf-Wach-Rhythmus. Das dafür zuständige Photopigment Melanopsin (es gibt auch noch andere) hat eine maximale Sensitivität für Licht mit der Wellenlänge um die 480 nm. Das ist keine schmale Spitze, sondern Melanopsin reagiert auf einen gewissen Bereich unterschiedlicher Wellenlängen. Bei einem Filter bis 540 nm wie bei dieser Orange-Tönung wird aber wohl das meiste der relevanten Wellenlängen gefiltert. Bei normalem Tageslicht nimmt der Blauanteil bis zur Mittagszeit zu und nimmt dann bis abends wieder ab, was von den Photorezeptoren wahrgenommen wird und abends zur verstärkten Melatoninausschüttung führt => man wird müde (natürlich ist die Realität viel komplexer). Wenn ich mir nun regelmäßig zu bestimmten Zeiten so eine Brille aufsetze, die im Idealfall auch seitlich abgeschirmt ist, und daher kein blaues Licht mehr wahrnehme, sind entsprechende Auswirkungen auf den Tag-Nacht-Rhythmus wahrscheinlich. Wichtig ist aber auch, dass die Gläser zu einem gewissen Anteil andere Wellenlängen filtern, d.h. man nimmt insgesamt weniger Licht wahr (d.h. es ist möglicherweise nicht nur die gefilterten Blauanteile - in den Tageszeitungen fällt das gerne mal unter den Tisch, in den eigentlichen Studien wird das i.d.R. angemerkt). Unter welchen medizinischen Umständen eine solche Brille geeignet ist oder nicht, kann und will ich nicht beurteilen. Fakt ist aber, wenn ich regelmäßig Einschlafprobleme habe, kann ich mich zwar mit einer solchen Brille abends vor die Glotze oder den Bildschirm hängen und den bösenbösen Blauanteil wegfiltern (am Monitor kann man übrigens ggf. den Blauanteil einfach ausschalten

), aber vielleicht ist es doch sinnvoller, einfach die Glotze auszumachen.
Was Beschichtungen anbelangt, auf
http://nikon.com/about/technology/life/ ... /index.htm sind unter Punkt 3 die Eigenschaften eines Blau-Blocker-Glases von Nikon dargestellt. Demnach wird der Anteil des blauen Lichts erhöht, das an den Übergängen zwischen den Schichten reflektiert wird. Ob das nun so ist oder nicht bzw. in welchem Ausmaß, weiß ich nicht (das Prinzip Reflexion als solches ist für mich physikalisch plausibel, aber mit der Betonung auf "für mich"). Jedenfalls wird bei dem Produkt vom blauen Licht mit Wellenlängen von 380 bis 500 nm ca. 35 % "gefiltert", allerdings nicht gleichmäßig, sondern v.a. der kurzwellige Anteil. Im Bereich von ca. 440 nm bis 500 nm werden nur nur noch ca. 10 % "gefiltert". Interessant ist jetzt allerdings das
typische Spektrum der Lichtquelle, vor der ich mich schützen will, z.B. das eines Monitors oder einer Lampe. Bei weißen LEDs wäre eine Spitze bei ca. 450 nm, die würde mit dem genannten Glas also nicht reflektiert werden. Man sollte da also vorsichtig sein, was genau "gefiltert" werden kann und was nicht und nicht pauschal netten Zahlen im Netz vertrauen. Wenn z.B. in einem bestimmten Bereich durch bestimmte Gläser nur 10% blockiert werden, wie wirkt sich eine Veränderung der Einstellungen am Monitor aus? Der Optiker eurer Wahl sollte euch da weiterhelfen können. Generell auch, wenn es um eine Lösung für blaues Licht speziell von Monitoren usw. geht, wichtig ist ja nicht (nur) der
Anteil einer bestimmten Wellenlänge, sondern (insbesondere auch) die
Intensität. Muss man also Angst vor dem Monitor haben oder ist das Tageslicht nicht gefährlicher (wenn es gefährlich ist)? Nur als Beispiel, bei Tierversuchen zur Erzeugung von Läsionen wird z.B. auch mal hochenergetischer Laser benutzt. Hat möglicherweise dieselbe Wellenlänge wie eine kleine LED, aber natürlich ganz andere Auswirkungen.