Dort ist derzeit geregelt, dass die gesetzliche Krankenkasse nur dann einen Festbetrag zu einer Sehhilfe leistet, wenn die Sehleistung MIT der Sehhilfe "30%" (0,3 Visus) nicht ÜBERSCHREITET.
Allein schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber 30% Sehleistung für "die Teilhabe am gesellschaftlichen und ein selbstbestimmtes Leben" für ausreichend erachtet, ist ein Beispiel unglaublicher Ignoranz gegenüber Betroffenen und eine Verkennung der Situation, in der sich Betroffene befinden.
Aber die eigentliche Härte entsteht durch die Forderung, die Sehleistung von geradezu lächerlichen 30% MIT BESTMÖGLICHER SEHHILFE nicht überschreiten zu dürfen.
Das führt mitunter dazu, dass Leute, die aufgrund hoch- und höchstgradiger Fehlsichtigkeiten nur minimalste Sehleistung OHNE Sehhilfe erreichen, sich eine Sehhilfe, mit der sie 30 oder vielleicht 40% erreichen könnten, gar nicht finanzieren können. Dies gilt umso mehr, als Sehhilfen mit solchen Dioptrienwerten oft schon in Basisversionen viel Geld kosten.
Selbst Fehlsichtigkeiten jenseits der 15 oder mehr Dioptrien begründen aber keine Extraleistung von Sozialämtern und Jobcentern. Die finanziellen Mittel für eine Brille, bei der u.U. schon ein einzelnes Brillenglas 150 Euro und mehr kosten kann, sind gemäß Gesetz aus den Regelbezügen "anzusparen".
Zwar gibt es die Möglichkeit, einen Kredit zur Anschaffung einer Sehhilfe anzuschaffen, doch solche Anträge werden selten bewilligt, insbesondere dann, wenn kein Arbeitsverhältnis besteht.
Allein Herr Dr. med. Hans-Walter Roth, Augenarzt und Stadtrat für die CDU in Ulm, betreut im Rahmen seiner Tätigkeit für die sog. "Armenklinik" derzeit 64 Fälle, die von den unmenschlichen Regelungen betroffen sind. Ich selbst könnte aus meinem Kundenkreis 2 weitere nennen. Es handelt sich also keineswegs um einige wenige Einzelfälle, wie es gerne von Parteikollegen von Herrn Dr. Roth bis hinauf ins Ministeriúm für Gesundheit behauptet wird, um jedwede Anregung oder Eingabe zur Änderung der einschlägigen Bestimmungen abzuwiegeln.
Hier Auszüge aus seinem Kommentar, veröffentlicht im "Augenspiegel" 4/12
Bitte unterstützen Sie unsere Initiative und zeichnen Sie die Petition mit, wenn sie in ca. 3 Wochen veröffentlicht wird!"Die aktuelle Situation der Betroffenen steht in eklatantem Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, wie er
insbesondere in § l SGB I zum Ausdruck kommt. Danach soll das Sozialrecht und damit auch das
Sozialversicherungsrecht der Krankenkassen dazu beitragen, die gleichen Voraussetzungen für die freie Entfaltung
der Persönlichkeit zu schaffen und den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen.
Wie aber soll ein Mensch sich frei entfalten, wenn er nur 30 Prozent seiner Sehkraft nutzen kann? "
"Die Ablehnungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen unter Berufung auf die entsprechende Richtlinie widerspricht
den tragenden Leitgedanken des gesamten Sozialrechts.
Sie ist daneben auch nicht kompatibel mit dem Grundgesetz.
Hier heißt es in Art.3 III Satz 2 ausdrücklich: ,,Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
"Auch das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich den Förderungs- und Integrationsauftrag des Staates
gegenüber Behinderten in seinem 40. Entscheidungsband: "Gewiss gehört die Fürsorge für Hilfsbedürftige zu den
selbstverständlichen Pflichten eines Sozialstaates".
Dies schließt notwendig die soziale Hilfe für die Mitbürger ein, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an
ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert und
außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Die staatliche Gemeinschaft muss ihnen jedenfalls die
Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein sichern und sich darüber hinaus bemühen, sie soweit
wie möglich in die Gesellschaft einzugliedern.? (Quelle: BVerfGE 40, l2l ff.)"
"Die besondere Fürsorge für behinderte Menschen kommt daneben auch direkt im Recht der Krankenversicherung in
§ 2 a SGB V zum Ausdruck. Hier heißt es: ,,Den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen
ist Rechnung zu tragen."
"In Art.26 GR-Charta heißt es hierzu: ,,Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit
Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen
Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft. Eine innerstaatliche Richtlinie, die 30 Prozent
Sehkraft für zumutbar und ausreichend hält ...,....widerspricht damit europarechtlichen Vorgaben."