Beitragvon Traumtänzerin » Mittwoch 9. Oktober 2013, 11:45
1:0 für dich, benkhoff. Deine Argumente sind wirklich nicht von der Hand zu weisen! Du hast mir einiges voraus - ich war noch nie dort und konnte mir keinen eigenen Eindruck verschaffen und werde es auch in naher Zukunft nicht können! Aber du weisst ja, ich bin neugierig, und es würde mich tatsächlich brennend interessieren, wann du dort warst, was du dort gesehen hast, inwieweit du hinter die Kulissen schauen konntest, wie die Arbeitsbedingungen der Optiker vor Ort sind, und vor allem, ob auch für die Landbevölkerung genügend Optiker in erreichbarer Nähe sind. Und, da Ruanda ja nur ein Beispiel ist, ob du auch in anderen Ländern warst, in denen die EinDollarBrille nach dem, was uns Laien erzählt wird, Hilfe bringen soll.
In einigen Dingen kann ich allerdings deiner Argumentation nicht folgen:
Mir sind auf der Webseite der EinDollarBrille weder Hochglanzaufnahmen von Wellblechhütten noch arme rotznäsige Kinder aufgefallen. Es wird sehr genau erklärt und gezeigt, was dort gemacht wird, - man kann genau sehen, wie eine Fassung hergestellt wird, wie die EinDollar“Optiker“ arbeiten (mit dem Wort „Optiker“ habe ich zugegebenermaßen in diesem Zusammenhang auch meine Probleme), welches augenoptische Grundwissen sie vermittelt bekommen - bei mir kommt das absolut nicht als „vordergründige Wohltäterei“ an.
Auch von ausländischen Unternehmen konnte ich nichts entdecken. Wenn diejenigen, die durch die Weißen geschult worden sind, ihre Arbeit ausüben, dann tun sie das auf eigene Rechnung und nicht für ein ausländisches Unternehmen. Und wenn sie dann wiederum ihr Wissen an Landsleute weitergeben, damit auch diese auf dieselbe Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen können – daran kann ich nichts Schlechtes finden, so lange der Bedarf an diesen einfachen „Sehbehelfen“ dort nicht gedeckt ist.
Es ist natürlich klar, dass euch vor allem die Optiker am Herzen liegen, selbstverständlich sollte man diese stärken. Aber genauso sinnvoll finde ich es, den Nichtoptiker-Teil der Bevölkerung zu stärken – auch diese Menschen haben Familien zu ernähren. Und das können sie durch die Produktion und den Verkauf solch einfacher „Sehbehelfe“, mit deren Hilfe wiederum andere Menschen in der Lage sind, einer Berufstätigkeit nachzugehen – Menschen, die es vielleicht nicht so einfach in die Stadt zum nächsten richtigen Optiker schaffen würden, abgesehen davon, dass sie, solange sie mangels Sehvermögen nicht arbeiten können, auch gar nicht das Geld dafür hätten. Und die richtigen Optiker haben doch ihr Auskommen dadurch, dass sie für höhere Fehlsichtigkeiten, Astigmatismus und kompliziertere Fälle nach wie vor die alleinigen Ansprechpartner sind, außerdem für wohlhabendere Menschen, die etwas Besseres wollen. Es ist für mich sehr schwer vorstellbar, dass durch eine Versorgung der einfachen Landbevölkerung mit einfachsten „Sehbehelfen“ der Optiker-Markt ausgetrocknet wird.
Was ich mir tatsächlich als sehr sinnvoll vorstellen könnte, wäre eine Einbeziehung einheimischer Optiker in die Schulung der EinDollar„Optiker“ bzw. eine stärkere Verzahnung zwischen beiden Gruppen.
Das stärkste Argument für die EinDollarBrille ist für mich, dass sie eben keine „Brille“ in unserem Sinne ist, sondern eine Behelfslösung – eben ein „Sehbehelf“, und zwar nicht so, wie die Österreicher diesen Begriff verwenden, sondern so, wie wir Deutschen mit unserem sprachlichen Hintergrund es auffassen würden. Und aus meiner eigenen Anschauung heraus lässt es mich eben nicht kalt, wie viele Lebenschancen einem Menschen aufgrund einer simplen Fehlsichtigkeit genommen werden, aber eben auch durch einen an und für sich primitiven Behelf zurückgegeben werden können – sollten es größere Bevölkerungsgruppen auf diese Weise irgendwann zu besseren Lebensbedingungen geschafft haben, dann werden sie sich mit diesem „Behelf“ irgendwann nicht mehr zufrieden geben und individuell angepasste Gläser haben wollen – und das sind doch wohl mindestens so gute Chancen für den Optiker-Markt dort wie jetzt, wenn arme Leute womöglich weite Reisen machen und ihr letztes Geld aufwenden müssen, um eine Sehfähigkeit zu erlangen, die es ermöglicht, ihren Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten.
Ich weiß, jede Form von Entwicklungshilfe ist ein zweischneidiges Schwert, und es sollte die immer die Stärkung der einheimischen Bevölkerung an allererster Stelle stehen! Ich denke, es ist schon o.k., dass jeder hier seine eigene Meinung hat, ich glaube auch nicht, dass es hier „richtig“ und „falsch“ gibt - wenn es den einzig wahren und richtigen Weg gäbe, wäre man ihn bestimmt längst gegangen.
"Nicht jeder der träumen und tanzen kann ist ein TRAUMTÄNZER "... (c) by Klaus Nerlich
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