Graue-Star-Operationen: Werden Brillen noch benötigt ?

In diesem Bereich schreiben Augenoptiker Informationen für den Brillenträger. Dies ist kein Diskussionsbereich.
Benutzeravatar
optikgutachter
Beiträge: 4785
Registriert: Montag 20. Juni 2011, 15:31
Wohnort: Köln
Kontaktdaten:

Graue-Star-Operationen: Werden Brillen noch benötigt ?

Beitragvon optikgutachter » Montag 16. Januar 2012, 16:06

"Grauer-Star“-Operationen
Folgezustände aus rein optischer Sicht, oder:
Müssen Gleitsichtbrillen danach zwangsläufig getragen werden ?

Zum kompletten Bericht:
http://www.optikgutachter.de/index.php/ ... augenoptik

Vorbemerkung:
• Ich lege Wert auf die Tatsache, daß hiermit ein Überblick für den Laien gegeben werden soll
• Insofern sind meine Darlegungen auch dem entsprechend abgefasst
• Alle Aussagen werden gemäß meiner Vereidigung neutral und unabhängig getätigt
• Sie stellen keinerlei Aussagen jedweder medizinischer oder juristischer Art dar,
hierfür befragen Sie bitte den Arzt oder Juristen Ihres Vertrauens

UNMÖGLICHES, oder: Alltägliche Kundenaussagen als Beispiele
Immer wieder kommen Kunden vor einer „Grauer Star“ - Operation zu Ihrem Augenoptiker und erzählen folgendes:

• Kunde: „Ich werde bald operiert, danach brauche ich keine Brille mehr, allenfalls eine Lesebrille, wenn überhaupt !“
Sofern der Idealfall eintritt und Sie tatsächlich absolut keine Stärke mehr für die Ferne benötigen sollten (sehr selten),
und es Ihnen ausreicht nur einen sehr eingeschränkten Schärfentiefebereich in der Nähe zu haben, ist das in Ordnung.
Die Lesebrille ist Ihnen aber 100%ig sicher.

• Kunde: „Ich werde bald operiert, dann brauche ich keine Brille mehr, ich wollte mich bei Ihnen schon mal verabschieden.......“
Optisch unmöglich. Diskutieren bringt da wenig, es denkt sich dann der Optiker: „Dann warten Sie mal bis nach der Operation........“

• Kunde: „Nach meiner Grauen-Star-Operation brauche ich nur noch einmal eine neue Brille,
die Stärken können sich ja durch die Linse nicht mehr ändern.“

Auch nicht richtig: Ihre Linse ändert sich zwar nicht mehr, aber das lebende Auge besteht auch nicht nur aus der Linse.
Es können und werden sich die Stärken erfahrungsgemäß auch weiterhin ändern.


Ich persönlich weiss nicht, ob es sich bei den Kundenaussagen nur um Wunschdenken
handelt, oder aber durch geschickte Argumentation derartiges vermittelt wurde (im Internet kursiert ja auch so einiges).
Aber eines ist sicher: Die Augenoptik wird durch eine erfolgte „Graue-Star“-Operation keinesfalles arbeitslos.

• Personen, die sich mit DEUTLICHEN SEH-EINSCHRÄNKUNGEN ÜBER DIE MEISTEN NAHBEREICHE :!:
auch zufrieden geben, benötigen zumindest eine Lesebrille.

In der Regel möchte der „Graue-Star“-Operierte jedoch wieder optimal sehen können:
• Personen, welche Wert auf BESCHWERDEFREIES :!: Sehen legen, benötigen zumeist hochwertige Gleitsichtgläser.

Insofern gestatten Sie mir an dieser Stelle den Hinweis, daß ausnahmlos jeder Operierte seinem Augenoptiker des Vertrauens erhalten bleibt.
Und wenn Sie mir -aus welchen Gründen auch immer- nicht glauben möchten, so warten Sie bitte bis nach der Operation.......

• Auch die gelegentlich als „ausreichend“ bezeichneten Fertiglese-Brillen erfüllen nicht den gewollten Zweck zur Erlangung bestmöglichen Sehens
und sind zur gelegentlichen Benutzung bis zu max. 20 Minuten/täglich vorgesehen.

(Den Beitrag zum Einsatz von Fertigbrillen finden Sie hier: http://www.optikgutachter.de/index.php/ ... tigbrillen )


HINTERGRÜNDE

Der „Graue Star“ - Worum es überhaupt geht

Als grauen Star bezeichnet man eine Eintrübung der im Auge befindlichen, natürlichen Linse.
Diese Eintrübung hat bei fortschreitender Entwicklung ein schlechtes Sehen zu Folge.
Mit der Diagnose seitens eines Arztes der Augenheilkunde folgt i.d. R. recht schnell
der Hinweis auf die Möglichkeit einer sogenannten Cataract-Operation, d.h. die natürliche
Linse wird entfernt und eine künstliche -diesmal „wasserklare“- Linse wird eingesetzt.
Somit wird ein klares Sehen wieder ermöglicht.


Folgezustände aus rein optischer Sicht

Die erfolgreich eingesetzte künstliche Linse versetzt das Auge wieder in die Lage
eine Abbildung auf der Netzhaut ohne störende Eintrübungen zu erreichen.
Gewollt ist meistens, eine deutliche Abbildung aus der Ferne zu erhalten,
sodaß im Idealfalle keine optische Korrektur für die Ferne (!) vonnöten ist.

Dieses bedingt jedoch nicht, daß keine Brille mehr getragen werden muss, denn

1.) ist der Folgezustand „absolut keine Wirkung für die Ferne“ nur sehr selten
2.) unterliegen die Augen auch weiterhin natürlichen Schwankungen, sodaß auch in Zukunft die benötigten
Korrekturen immer mal wieder angepasst werden müssen
3.) haben die Augen nunmehr durch das Einsetzen der künstlichen Linse die ursprüngliche Fahigkeit verloren,
sich auf nahe Distanzen einzustellen*

*Hintergrund zu 3:
Die entfernte Linse konnte über ein Muskelsystem auf natürlichem Wege gekrümmt werden,
sodaß man sich -unbemerkt- auf alle Distanzen einstellen konnte und so wie in jungen Jahren
in allen Bereichen deutlich sah. Die neue Linse kann dieses jedoch nicht, sie ist hart und nicht verformbar.
Insofern wird also entweder eine nunmehr neue, oder aber weiterhin entsprechende Korrektur(en)
für die Nahbereiche benötigt.

Da die Flexibilität der neuen Linse jedoch gleich Null ist, läßt sich mit einer einzelnen Korrektur für die Nähe
-die klassische Einstärken-Lesebrille- nur eine Distanz korrigieren, und das mit sehr geringem Schärfentiefe-Bereich.

Hier stellen die Träger dann fest, daß beispielsweise auf 40cm Leseabstand alles wunderbar
deutlich ist, jedoch 10cm weiter hinten oder vorne alles schon unscharf wird.

Das Lesen einer auf dem Tisch liegenden Tageszeitung ist ohne Nachführung des Kopfes
-nach vorne oder hinten- nicht möglich.

Ist nunmehr der Anspruch des Operierten derart, daß er alle Bereiche von der Ferne
bis in die Nähe deutlich sehen möchte, so benötigt er infolge der Ihnen nun bekannten, geringen Schärfentiefe entweder

1. mehrere Lesebrillen – für jede Distanz eine gesonderte Stärke, welche dann auch immer und stetig gewechselt werden muss, oder
2. eine sogenannte Gleitsichtbrille*, welche im fließenden Übergang gleich alle Stärken aufweist und somit ohne Brillenwechsel
deutliches Sehen in allen Bereichen ermöglicht (auch die liegende Tageszeitung lässt sich ohne Vor- oder Zurückbeugung des Körpers
von oben bis unten deutlich lesen)

*Punkt 2 gilt auch für den Idealzustand „keine Korrektur in der Ferne vonnöten“, hier wird eben „nur“ keine Wirkungsstärke eingesetzt.

Weitere Möglichkeiten

Bei den neuen Linsen handelt es sich um sogenannte Mehrstärkenlinsen,
d.h. sie haben unterschiedliche Wirkungszonen zur Abdeckung auch des Nahbereiches.

Folgen u.a.:

Egal wohin Sie schauen, Sie haben immer eine deutliche und gleichzeitig eine undeutliche,
weitere Abbildung auf der Netzhaut.

Dieser Zustand ist gewollt, da die Linse ja nicht „wissen“ kann wohin Sie gerade schauen.
Somit müssen immer alle Stärken gleichzeitig vorherrschen und dieses führt i.d.R. zumindest
zu starkem Kontrastverlust.
Auch ist eine zusätzliche Lesebrille trotz Mehrstärkenlinse zur Erreichnung optimalen Sehens
in der Nähe erfahrungsgemäß keine Seltenheit.


Ein Auge wird bei der Operation auf die Ferne bestmöglichst korrigiert, daß andere Auge auf einen Nahbereichsabstand.

Folgen (u.a.):

• Das Schärfentiefe-Problem in der Nähe bleibt Ihnen weiterhin erhalten
• Das räumliche Sehen (Distanzerkennung) ist stark eingeschränkt
• Das Gehirn muss sich daran gewöhnen das schlechtere Bild des anderen Auges
zu unterdrücken -je nachdem wohin Sie schauen-
• Zur Wiedererlangung optimalen Sehens mit beiden Augen sind Brillenstärken
mit großem Stärkenunterschied Rechts zu Links erforderlich.
Wird dieser Unterschied zu groß (fachl. Anisometropie bzw. als Folge Aniseikonie
bezeichnet), kann das Sehzentrum trotz deutlicher Abbildung die Bilder beider Augen
nicht mehr zusammenführen/fusionieren.


Fazit

• Personen, die sich mit deutlichen Seh-Einschränkungen über die
meisten Nahbereiche auch zufrieden geben, benötigen zumindest eine Lesebrille.

In der Regel möchte der „Graue-Star“-Operierte jedoch wieder optimal sehen können:

• Personen, welche Wert auf beschwerdefreies Sehen legen,
benötigen zumeist hochwertige Gleitsichtgläser.


Insofern gestatten Sie mir an dieser Stelle den Hinweis, daß ausnahmlos jeder Operierte
seinem Augenoptiker des Vertrauens erhalten bleibt.

Und wenn Sie mir -aus welchen Gründen auch immer- nicht glauben möchten,
so warten Sie bitte bis nach der Operation.......

• Auch die gelegentlich als „ausreichend“ bezeichneten Fertiglese-Brillen erfüllen nicht den gewollten Zweck zur Erlangung bestmöglichen Sehens.
https://www.optikgutachter.de
Falls Sie mal was über mich gehört haben sollten: Glauben Sie es bloß nicht!
Vermutlich stimmt das nämlich alles (Kölner Humor)!

Zurück zu „F.A.Q. und Fakten“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste