hallo micrometer,
dein Augenoptiker hat bedingt recht. Ich muss zustimmen, dass der Unterschied zwar zwischen linkem und rechten Auge größer ist, das ist aber noch kein Grund, warum du eine Gleitsichtbrille nicht verträgst. Es kann zu Problemen kommen, aber für so etwas gibt es eine Verträglichkeitsgarantie (Erklärung folgt unten), wie es die meisten Glashersteller und damit auch die Augenoptiker anbieten.
Du bist mit 45 Jahren und einäugig grauen Star sicherlich ein gewisser "Exot", aber für alles gibt es eine Lösung, wenn man nur will ;D
Ohne jetzt gleich die Katze aus dem Sack zu lassen oder deinem Augenoptiker in die Kasse zu spielen, würde ich dir jetzt schon raten, mehrere Brillen anzuschaffen (Getrau meinem Motto: "In der Augenoptik gibt es nicht Eins für Alles, aber für Alles Eins"
). Warum, darauf geh ich gleich genauer ein. Entscheidend ist aber noch, dass du deinen Nahzusatz (Fachsprache: Addition) für das rechte und das linke Auge nennst.
Folgende Punkte spielen eine sehr wichtige Rolle für deine Brille(n):
- Arbeitsplatz mit schmutziger Umgebung (ist natürlich nicht negativ gemeint!)
- handwerkliches Arbeiten in verschiedenen Abständen
- oft wechselnde unterschiedliche Kopfhaltungen
- oft wechselnde unterschiedliche Körperhaltungen
- Arbeiten mit einer Flex
Fangen wir mit den "leichten" Sachen an:
1. Arbeiten mit einer Flex
Die Funken und Späne die beim Flexen entstehen, können sich in Brillengläser aus Silikat (echten) Glas problemlos einbrennen, bei Kunststoffgläsern jedoch prallen sie eher ab und dadurch entstehen nicht (so schnell) die typischen Einbrenn-Flecke auf den Gläsern. Das Material des Brillengestells sollte auf jeden Fall robuster sein, damit die Brille beim einhändigen Abnehmen nicht nach ein paar Wochen "Servus!" sagt. Titan oder Edelstahl wären hier meine Empfehlungen. Auf alle Fälle sollte kein Kunststoff an den Bügeln sein (ausgenommen die Bügelenden, sie soll ja schließlich angenehm hinter den Ohren sitzen), da hier sonst leichter auch Einbrennspuren entstehen. Vorzugsweise sollten die Gläser auch mit einem Rahmen komplett umfasst sein, das bietet die größte Stabilität.
Wichtige Frage hierzu: wird oft in unterschiedlichen Positionen geflext (unter der Hebebühne) oder ist dafür ein separater Raum vorahanden in denen die Körper und Kopfhalten sowie die Abstände recht gleich sind? -> dies entscheidet ob die Gläser nur für einen bestimmten Abstand sein sollen oder eventuell mehrere Stärken aufweisen sollen.
2. Arbeitsplatz mit schmutziger Umgebung
Der Beruf des Automechanikers ist natürlich nicht neu und ich möchte mal meinen, dass es sogar den Beruf des Augenoptikers vor dem des Mechanikers gab, von daher sollten wir eine Lösung haben, die sich schon bewährt hat.
Zwar habe ich oben die Kunststoff-Gläser empfohlen, doch bin ich der Meinung (bestimmt ein Diskussion-Punkt mit Kollegen) das Silikat-Gläser bei staubigen und eben schmutzigen Umgebungen nach wie vor Überlegen sind. Aber eben mit Ausnahme fürs Flexen.
Die Überlegenheit liegt darin, dass die Silikat-Gläser von der Oberfläche her wesentlich widerstandsfähiger sind. Auch wenn man mal mit staubigen und groben Fingern drüberlangt, so schnell verkratzen sie nicht. Sicherlich kann man Kunststoffgläser mit einer Hartschicht versehen, dennoch reicht es nicht an die Oberflächenhärte von Silikat heran.
Andererseits haben Kunststoffgläser den großen Vorteil, dass sie leichter und bruchsicherer sind. Bei einer gut ausgesuchten und angepassten Brillen kann aber nicht so schnell was rutschen und das Gewicht deiner Gläser sollte trotz dem Stärkenunterschied nicht so gravierend ausfallen.
Meine Tendenz daher -> Silikatgläser für den allgemeinen Gebrauch in der Werkstatt.
3. handwerkliches Arbeiten in verschiedenen Abständen
Es wäre eine Illusion dir zu sagen, dass du mit einer Gleitsichtbrille, egal wieviel sie kostet, das gleiche Sehen haben wirst, wie im Alter von 30 Jahren. Das ist (momentan) einfach nicht machbar. Eine gewisse Umgewöhnung wird es für dich sein, egal welche Lösung du nun anstrebst. Zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr verändern sich die Augen, genauer gesagt unsere Augenlinse, so sehr, dass sie sich nicht mehr richtig auf die Nähe einstellen kann. Diesen Prozess hat man mit dem Austausch deiner natürlichen Augenlinse rechts schon "vollzogen". Ich gehe mal stark davon aus, dass die künstliche Augenlinse sich nicht von alleine auf die Nähe einstellt?!
Dein linkes Auge wird also in den kommenden Jahr(zehnt)en allmählich auch eine Unterstützung beim Fokussieren auf die Nähe benötigen. Hier im Forum wurde es sehr schön schon einmal beschrieben: Du kannst bei uns Augenoptikern nicht dein natürliches Sehen "erkaufen", aber Entfernungen. Je nachdem, welche Entfernung benötigt wird, kann man es mit einer oder mehreren Brillen "liefern". Wichtig ist jetzt zu testen, in wie weit dein Sehzentrum im Hirn die zwei vollkommen unterschiedlichen Sehstärken für die Ferne und vorallem für die Nähe verarbeitet. Aus der Ferne ist es schwierig zu sagen, das muss dein Augenoptiker vor Ort mit deiner Hilfe klären.
Um es nun zum Punkt zu bringen: die verschiedenen Abstände in deinem Beruf verlangen es, dass du auch verschieden Brillenstärken benötigst. Je nach Art des Brillenglases nimmst du Vor- und Nachteile in Kauf. Eine Gleitsichtbrille ist zwar
für die Ferne (alles ab 6m), für die Nähe (ca 35cm) und alles dazwischen bestens geeginet (Vorteil), aber das funktioniert
nur, wenn du eine gerade Körper- und Kopfhaltung hast (Nachteil).
Das ist auch schon eine geeignete Überleitung für den nächsten Punkt:
4. oft wechselnde unterschiedliche Kopfhaltungen / oft wechselnde unterschiedliche Körperhaltungen
Hier ist wohl der schwierigste Punkt für deine Korrektion zu suchen. Gleitsichtgläser funktionieren wie oben angesprochen, perfekt, wenn man eine "normale", gerade und damit aufrechte Körperhaltung hat. Das gilt natürlich auch im Sitzen. Wenn die Wirbelsäule aufrecht ist, funktionieren diese Gläser wunderbar. Die allermeisten die zum Beispiel kommen meiner Erfahrung nach, mit einer Gleitsichtbrille zurecht (Ausnahmen bestätigen die Regel
), da sie fast den ganzen Tag eine aufrechte Körperhaltung haben. Natürlich gibt es speziell für den Schreibtisch und Computer Brillen(-Gläser), aber das ist eine andere Baustelle.
Dies trifft aber anhand folgender Beispiele nicht auf dich zu:
Beispiel Hebebühne: Wenn du unten drunter stehst und das Auto inspizierst, dann schauen deine Augen eher durch den oberen Teil des Brillenglases. Eine Gleitsichtbrille hat hier aber die Ferne eingearbeitet, also würdest du zwar schon Details und Kleinigkeiten erkennen, aber dein Auge muss sich dafür anstrengen. Genauer gesagt würde dein rechtes Auge sehr undeutlich die Sachen nur erkennen, während dein linkes Auge noch recht gut sich auf diese Entfernung einstellen kann. Hier musst du es selbst probieren, ob eine Gleitsichtbrille funktioniert, oder ob eine Brille für den Abstand von ein bis zwei Meter Entfernung die bessere Wahl wäre. Probier auch gerne mal mit einem Zollstock die Entfernungen abzumessen. Klingt jetzt sehr weit hergeholt, aber dein Augenoptiker wird es dir danken, wenn du die Angaben genau machen kannst.
Beispiel Cockpit: Ich hab grad dieses typische Bild vor mir, wie ein Mann über beide Vordersitze liegt und irgendwie unterm Lenkrad was herumfummelt. Auch wenn es vllt eher ein Klischee ist, aber es verdeutlich auch hier wieder sehr gut, was für unterschiedliche Anforderungen dein Sehen in diesem Job benötigt... und damit auch zwangsweise deine Brille(n).
Der Abstand im Wageninneren dürfte sich meines Erachtens nach in Grenzen halten. Eine Brille die auf 50 oder 40cm abgestimmt ist, gibt dir die Möglichkeit, auch länger mal mit Kleinigkeiten wie Stromanschlüssen zu arbeiten ohne das dein rechtes Auge vom Sehvorgang ausgeschlossen wird und dein linkes Auge aber angenehm nicht ganze "Arbeit" übernehmen muss. Sofern du es nicht schon mit deiner reinen Lesebrille getan hast, probier es mal aus. Eine Brillenglas, dass nur eine Stärke hat, ermöglicht dir problemlos das Arbeiten auch kopfüber oder verwinkelt unterm Lenkrad und kurz über der Fußmatte. Denn du hast hier weder eine gerade Körper- und Kopfhaltung.
Beispiel kompletter Werkstattbereich: Die reine Gleitsichtbrille ermöglicht es dir erstmal problemlos (*) Kollegen, Kunden und eben alls in der Ferne zu erkennen. Du kannst mit ihr das Auto betrachten, in jeder Entfernung Details erkennen. Auch das Arbeiten am Computer sollte damit für dich kein Problem darstellen, denn dafür hast du den Zwischenbereich. Du haste mehrere Brillen in einer kombiniert und es sieht auch ästhetisch sehr gut aus. Sobald du aber die oben beschrieben Aktionen in Angriff nimmst, kannst du mit ihr an Grenzen stoßen. Es kann natürlich sein, dass du mit einer Gleitsichtbrille vollkommen auskommst, aber das kann ich dir natürlich nicht beantworten, das musst du testen.
Sehr viele Informationen auf einmal, ich weiß. Mir ist nun auch ehrlich gesagt die Puste langsam ausgegangen, da ich ja doch in ein paar Stunden wieder Kunden in Sprachform informieren muss, daher hör ich an dieser Stelle mal auf. Entschuldigung für Rechtschreibfehler und Co. Gerne würde ich natürlich auch die Meinung der Kollegen hier im Forum dazu hören, bin selbstverfreilich auch gespannt auf ihre Lösungen. Ansonsten micrometer bleibt mir nur kurz zu sagen: eine Gleitsichtbrille ist definitiv ein Anfang und du kannst mit dieser Brille auch garantiert etwas "anfangen". In wie weit sie aber deine Bedürfnisse erfüllt, musst du selber ausprobieren.
* Verträglichkeitsgarantie
Die Verträglichkeitsgarantie die die meisten Glashersteller und somit auch Augenoptiker anbieten, impliziert bei Nichtverträglichkeit der Gläser einen kostenlosen Umtausch in Bifokal- (die mit dem Fensterchen unten), Einstärkengläser für die Ferne und Nähe, oder andere Gleitsichtgläser (anderer Typ und damit einen Unterschied im Aufbau der optischen Fläschen). Bei den meisten beträgt diese Garantie eine Gültigkeit von 6 Monaten, man hat also sehr viel Zeit, sich an die Gläser zu "gewöhnen". Man sollte diese Zeit auch nutzen, denn ein paar Mal kann es auch sein, dass die Gläser zwar anfangs sehr ungewohnt sind und typischerweise das Treppensteigen und Co. als sehr unangenehm beschrieben werden, jedoch auch eine Eingewöhnung nach ein paar Wochen oder Monaten oftmals dann doch zum erwünschten Erfolg führt.