Tiz hat geschrieben:
Bislang glaube ich verstanden zu haben, dass bei einem Astigmatismus die Lichtstrahlen je nach Einfallswinkel unterschiedlich gebrochen werden und daher die Brennpunkte unterschiedlich liegen.
Nein, daß hat mit Einfallswinkeln nichts zu tun. Lichstrahlen, die von einem Objektpunkt ausgehen, treffen sich nicht nach der Brechung wieder in einem Punkt (das wäre eine scharfe Abbildung), sondern bilden ein Strahlenbündel, welches sich durch zwei senkrecht zueinander stehende Spalte ("Bildlinien") sozusagen "quetscht" und keine scharfe Abbildung erzeugt. -> Abbildung "Sturmsches Konoid".
Zwischen diesen beiden Spalten liegt der "Kreis kleinster Verwirrung", also der Bereich, wo die Unschärfe am wenigsten auffällt. Es ist kein scharfer Bildpunkt, sondern ein Bild"fleck", sozusagen.
Tiz hat geschrieben:Außerdem habe ich Deine Erklärung ("sph +0,5 cyl -1,0 bedeutet, der eine Hauptschnitt hat eine Wirkung von +0,5 dpt, der andere von -0,5 dpt.") so verstanden, dass ein richtig berechnetes und angepasstest Glas diesen Fehler eigentlich so korrigieren müsste, dass man wieder normal sieht. Wenn man mal von anderen Problemen wie z.B. Weit- oder Kurzsichtigkeit absieht.
"Normal sehen" heißt in diesem Zusammenhang, daß sich die Lichtstrahlen, die von einem Objektpunkt ausgehen, auch wieder in einem Bildpunkt treffen (-> scharfe Abbildung). Wenn das Objekt unendlich weit entfernt ist, und der Bildpunkt vor der Netzhaut liegt, liegt eine Kurzsichtigkeit vor, hinter der Netzhaut ist es eine Weitsichtigkeit.
Tiz hat geschrieben:Wenn das so ist bzw. ich das so richtig verstanden habe, müsste ein richtig berechnetes und angepasstest Glas (und unterstellt, dass "nur" ein Astigmatismus vorliegt) doch eigentlich dazu führen, dass man in alle Distanzen besser sieht also ohne Brille. Ist das richtig oder liegt da wieder ein Fehlverständnis von mir vor? (Weiter vorne im Thread wurde das jedenfalls auch gesagt.)
Die Astigmatismuskorrektur sorgt erstmal dafür, daß sich die Lichtstrahlen überhaupt in einem gemeinsamen Punkt treffen können (s.o.).
Dann ist die Frage, ob dieser Punkt auf der Netzhaut liegt. Liegt er davor, entsteht ebenfalls ein Bild"fleck", das Bild ist unscharf. Um das Bild scharf auf die Netzhaut zu bringen, muß das ganze Strahlengebilde nach hinten verschoben werden (durch eine Minuslinse, oder indem das Objekt näher ans Auge rückt -> man sieht in der Ferne unscharf, in der Nähe scharf.
Liegt der scharfe Bildpunkt hinter der Netzhaut, kann man das Strahlengebilde durch Akkommodation oder eine Pluslinse nach vorne rücken, so daß auf der Netzhaut ein scharfes Bild entsteht. -> Nahbrille, wenn die Akkommodation nicht ausreicht.
Tiz hat geschrieben:Falls das so stimmt: Bedeutet dies dann, dass mit meiner Brille sph +0,5 cyl -1,0 irgendetwas nicht in Ordnung ist, wenn ich damit nur auf weite und mittelere Distanz besser als unkorrigiert, aber schlechter auf nahe Distanz als unkorrigiert sehe? Oder ist das eben "normal" und nicht zu ändern (mit einer Einstärkenbrille), wenn zu einem Astigmatismus gleichzeitig noch ein Altersweitsichtigkeit hinzukommt?
Danke.
Theoretisch müßte die Astigmatismuskorrektur in Ferne und Nähe eine Verbesserung bringen. Wenn Du allerdings den Astigmatismus schon sehr lange unkorrigiert hast, könnte das Gehirn sich soweit daran "gewöhnt" haben, daß es quasi "softwareseitig" eine gewisse Bildkorrektur vornimmt.
Optisch-physikalisch ist es aber im Hinblick auf ein möglichst gutes Sehen erforderlich, daß man die Fernkorrektur als Fundament für eine scharfe Abbildung nimmt und dann die für das Nahsehen fehlende Akkommodationsfähigkeit durch die Addition (zusätzliche sphärische Pluswirkung) ersetzt (als Nah-, Mehrstärken oder Gleitsichtbrille). Und dann ist es auch mit Brille in der Nähe besser als ohne.
Der Versuch, irgendetwas nur halb zu korrigieren um sich irgendwie durchzuwurschteln, ist Murks.
[Bei hohen Hauptschnittwirkungen, größeren Astigmatismen und/oder größeren Abständen zwischen Brillenglas und Auge ist theoretisch auch denkbar, daß für Ferne und Nähe unterschiedliche Zylinderwerte nötig sind. Das führt hier jetzt aber zu weit und hat mit den hier diskutierten Werten auch nichts zu tun.]
Achtung: der oben sichtbare Text ist in der Zeit entstanden, in der er geschrieben wurden. Er könnte in Zukunft als anstößig empfunden werden. Der Autor wurde sozialisiert durch Otto, Loriot, Astrid Lindgren und ‚Schmidteinander'.