wörterseh hat geschrieben:Wenn man sich länger mit dieser Materie befasst, kommt man zu keinem anderen Ergebnis, als das jede Form der Reduktion des energiereichen Lichtanteils Sinn macht!
Was richtig ist,
- Schäden durch blaues Licht sind kein fiktives Szenario, sondern Wellenlängen zwischen 400 und 500 nm können "photochemische" Schäden im Auge auslösen (also abgesehen von den "normalen" thermischen Schäden, die man bei jeder Wellenlänge bekommen kann, je nachdem, wie hoch die Strahlungsleistung = Energiemenge pro Zeit ist, und je nachdem, was das Auge davon abbekommt, daher ja auch Gefahr bei z.B. grünem Laser)
- es gibt entsprechend die sogenannte "blue light hazard function", wonach bestimmte Wellenlängen blauen Lichts zu stärkeren Schäden führen können und andere Wellenlängen weniger
- verschiedene Studien deuten darauf hin, dass blaues Licht auf lange Sicht zu retinalen Schäden / Erkrankungen führen kann
Was allerdings auch richtig ist,
- die Erkenntnisse zu "photochemischen" Schäden beruhen auf Zell- und Tierversuchen bzw. einzelnen Unfällen, wo Leute innerhalb kurzer Zeit massiver Strahlungsleistung ausgesetzt waren, die Übertragbarkeit auf den Menschen im Allgemeinen / auf "normale" künstliche Lichtquellen wie LEDs oder natürliches Sonnenlicht sind nicht geklärt
- in anderen Studien wurde keine negative Langzeitwirkung von blauem Licht auf Augenschäden gefunden, daher gilt es eben "nur" als potentielles Risiko
Generell ist hier das Problem, dass man beim Menschen im Nachhinein nur schwer zwischen UV-Licht-Belastung und der durch blaues Licht unterscheiden kann (dazu müsste man kontrollierte Experimente durchführen). Bei normalen Lichtquellen inkl. der künstlichen und normalem Umgang damit ist jedenfalls bisher keine Gefahr nachgewiesen. Das heißt jetzt aber auch nicht, dass die Ungefährlichkeit definitiv bewiesen ist.
Was mich an den Produkten für den Innenbereich wie dem DuraVision BlueProtect oder dem Nikon SeeCoat Blue (es mag diverse andere geben, nur als Beispiel) stört, ist die Art und Weise, wie sie vermarktet werden.
- Filterbereich, blue light hazard function und tatsächlich vorhandenes Licht. Nun gut, sie filtern also einen Teil bestimmter Wellenlängen. Aber wenn das Produkt z.B. für den Innenraum gedacht ist, wie sieht es denn dann mit den Lichtquellen dort aus? Die blue light hazard function hat z.B. ihren peak bei 430 - 440 nm (da ist es am Gefährlichsten), der peak einer LED liegt bei 450-460 nm (da wird am meisten emitiert), in diesen Bereichen wird aber nur bis etwas über 10% gefiltert/reflektiert. Bei kleineren Wellenlängen wird mehr gefiltert, aber weit weniger emitiert. Nun kann man in der Tat sagen, immer noch besser als nix. Man kann aber auch sagen, sinnloses Produkt, einfach etwas weniger Zeit am PC verbringen, Helligkeit/Blauanteil am Monitor etwas runterdrehen etc. Übrigens haben die Zapfen vom Blau-Typ, die am Gesamteindruck hinsichtlich Helligkeit mitbeteiligt sind, ihre Sensitivität irgendwo um die 430 nm (wobei das noch nicht mal abschließend geklärt ist) mit halbwegs symmetrischer Verteilung zw. 400 und 500 nm. Wenn also die niedrigeren Wellenlängen vom Monitor im Innenbereich teils gefiltert/reflektiert werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass man das Display als dunkler wahrnimmt, daher die Helligkeit am Monitor erhöht, wodurch wieder mehr blaues Licht emitiert wird. Könnte also im Endeffekt ein Nullsummenspiel sein oder sogar den Blauanteil erhöhen. Interessanterweise heben die Hersteller bei ihren Produkten gerne die Gesamtwirkung hervor, allerdings nehmen sie dabei eine gleichmäßige Beleuchtung über alle Wellenlängen an, oder sie gehen von der blue light hazard function aus, statt den worst case einer Lichtquelle wie der gängigen LEDs anzunehmen. Der nette Nebeneffekt, die "Filterzahlen" sind größer.
- Betonung der Gefahr durch künstliche Lichtquellen. Z.B. LEDs sind nicht gefährlicher als Tageslicht, die Intensität des Tageslichts ist bei einem sonnigen Tag um ein x-faches höher. Allein basierend auf der blue light hazard function ist es sogar besser, das Tageslicht komplett zu meiden und sich stattdessen z.B. von LEDs bescheinen zu lassen, wenn man dann auch noch gegen Abend die Geräte runterdimmt, gibt es keine Probleme mit dem Schlaf. Ganz unabhängig davon ist z.B. exzessive Bildschirmarbeit natürlich definitiv abträglich!
- "Gutes", "nützliches" blaues Licht. Es ist eben NICHT so, dass über 460 nm keine Gefahr besteht, nur weil das Licht zufällig den Schlaf-Wach-Rhythmus mitbeeinflusst. Laut der blue light hazard function ist das Risiko bei 460 nm ungefähr dem bei 415 nm und immer noch vergleichsweise hoch. Wer sich also wirklich effektiv vor möglichen Augenschäden schützen will, müsste ein Produkt tragen, dass 1) generell DEUTLICH mehr blaues Licht eliminiert 2) und das bis ca. 500 nm, also ähnlich zu den Orange-Filter-Gläsern. Wobei da die Bereitschaft bei den Leuten wohl erheblich geringer ist, sie aufzusetzen.
Zusammenfassend, es spricht aus meiner subjektiven Sicht absolut nichts dagegen, wenn sich jemand vorsichtshalber gegen blaues Licht schützen will. Bei wissenschaftlichen Erkenntnissen muss man ja auch immer bedenken, dass die Wissenschaft oft hinterherhinkt, bis gewisse Risiken erkannt werden (vgl. diverse Medikamente). Wenn sich in 10 Jahren und x weiteren Studien dagegen rausstellt, dass tatsächlich keine Gefahr besteht, war die Anschaffung halt überflüssig. Natürlich ist es auch nicht absolut ausgeschlossen, dass in 10 Jahren festgestellt wird, dass die Blau-Filter/-Entspiegelungen in irgendeiner Weise schädlich sind (um hier
ein vollkommen fiktives Szenario zu konstruieren, vielleicht degenerieren die Blau-Zapfen, wenn sie nicht genug blaues Licht abgekommen). Aber absolute Gewissheit hat man eigentlich eh nie. Wo ich Bedenken habe, sind allerdings konkret die Produkte für den Innenbereich. Wenn ich mich gegen blaues Licht schützen wollen würde, würde ich daher ein Produkt nehmen, dass sich auf den Außenbereich beschränkt und deutlich mehr als 10% filtert, da hier das potentielle Risiko und das Einsparungspotential viel höher ist (und auch keine Gefahr besteht, dass man die Helligkeit hochdreht, was im Innenbereich / Monitor als Kompensation für die verloren gegangene Intensität durch den fehlenden Blauanteil denkbar wäre). Wo die Innenprodukte vielleicht überzeugen können, wäre der Aspekt mit dem verbesserten Kontrast. 10% weniger blaues Licht mag da schon was ausmachen, bei der Wahrnehmung ist das oft ganz erstaunlich, was kleine Veränderungen bringen können. Dmit wäre man dann beim kombinierten Glas. Aber bitte nicht als Kaufempfehlung betrachten.